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2.4 Ein Interview mit dem Berliner „Jugendimam“ Ferid Heider<br />
Über das unten folgende Interview mit dem Imam Ferid Heider gab es Kontroversen im Arbeitskreis<br />
„Islam und Schule“. Es wurde daher beschlossen, dem Interview einen Text beizufügen,<br />
der es den Leserinnen und Lesern ermöglicht, Person und Positionen von Ferid<br />
Heider einzuordnen:<br />
Ferid Heider ist jemand, an dem sich die Geister scheiden. Für die einen ist der bekannte<br />
Berliner „Jugend-Imam“ Vertreter eines sozial engagierten Islam, den es in lokale Netzwerke<br />
und pluralistische Auseinandersetzungen etwa auf Bezirksebene oder im Quartiersmanagement<br />
einzubinden gilt – schließlich kümmern sich Heider und seine Einrichtungen zum Beispiel<br />
um die berufliche Qualifizierung von Frauen und erreichen eine Vielzahl auch problematischer<br />
Jugendlicher, zu denen andere Einrichtungen keinen Zugang finden. Für andere<br />
Stimmen ist genau das eine Strategie, die eine Partizipation von Heiders Einrichtungen<br />
zwiespältig erscheinen lässt: Ihrer Auffassung nach geht es dem Imam nicht allein um die<br />
Teilhabe von Muslimen an der Gesellschaft, sondern um deren Islamisierung – und zwar im<br />
Sinne eines sehr konservativ ausgelegten Islams.<br />
An den Diskussionen um Ferid Heider lassen sich daher die derzeit auf vielen Ebenen geführten<br />
Kontroversen um Chancen und Grenzen der Integration spezifischer Positionen<br />
nachzeichnen, wie sie vor allem von konservativen Muslimen vertreten werden.<br />
Tatsächlich steht Ferid Heider (geb. 1979 in Berlin), der unter religiösen Jugendlichen populäre<br />
Imam des Neuköllner IKEZ (Islamisches Kultur- und Erziehungszentrum) sowie des<br />
IZDB (Interkulturelles Zentrum für Dialog und Bildung) im Wedding, für strenge moralische<br />
Überzeugungen und eine konservative Auslegung des Islams. So stünde es zwar jedem<br />
muslimischen Mädchen frei, kein Kopftuch zu tragen, meint er – aber eine Sünde sei es<br />
doch, weil „der Islam“ es nun einmal verlange. Auch in der Schule sollte möglichst fünfmal<br />
täglich gebetet werden; und Jungen und Mädchen sollten nicht miteinander ins Kino gehen,<br />
erklärte der Imam in einem ZDF-Interview.<br />
Heider ist auch Dozent für Fernkurse beim „Deutschen Informationsdienst über den Islam<br />
e.V.“ (DIDI) in Karlsruhe. In den Lehrbüchern des DIDI geht es unter anderem darum, wie ein<br />
„islamischer Staat“ und eine „islamische Gesellschaft“ aussehen sollen. Dazu wird die Einheit<br />
von Staat, Gesellschaft und Religion postuliert. Auch mit Blick auf ein „islamisches Strafrecht“<br />
werden hier die religiösen Quellen eng am Wortlaut ausgelegt: Zwar würde demnach<br />
die Todesstrafe für Unzucht (d.h. hier bei Geschlechtsverkehr zwischen anderweitig Verheirateten)<br />
in einem „islamischen Staat“ kaum praktiziert werden – aber nicht, weil dies gegen<br />
universelle Menschenrechte verstieße, sondern vor allem, weil die „Tat“ nach „islamischer<br />
Prozessordnung“ kaum zu beweisen sei und in einer wahrhaft „islamischen Gesellschaft“<br />
ohnehin nicht vorkommen dürfte. Gleichzeitig sagt Ferid Heider: „Kein vernünftiger Muslim in<br />
Europa würde auf die Idee kommen, die Scharia hier anzuwenden. Wenn du hier lebst,<br />
musst du dich an die Gesetze hier halten.“<br />
Im folgenden Interview bezieht sich Ferid Heider auch positiv auf den umstrittenen Gelehrten<br />
Yusuf al-Qaradawi. Qaradawi ist der derzeit wohl einflussreichste Gelehrte im weiteren<br />
Spektrum des politischen und konservativen Islams. Viele Organisationen und religiöse Jugendliche<br />
orientieren sich an ihm und seinem Islamverständnis. Auf dieses Publikum zielt<br />
auch Qaradawis international populäres englisch- und arabischsprachiges Internetportal IslamOnline.<br />
Hier geben religiöse Gelehrte und andere muslimische Ratgeber Antworten auf<br />
Fragen junger religiöser Muslime zu allen Lebenslagen:<br />
Darf ich auch ohne Kopftuch beten, wenn an meiner Arbeitsstelle Kopftücher verboten sind<br />
(Nein, das Gebet ohne Kopftuch ist immer ungültig.) Darf ich Augenkontakt mit dem anderen<br />
Geschlecht haben (Nur wenn es sich nicht vermeiden lässt.) Darf ich die Zinsen behalten,<br />
die mir die Bank zahlt (Nein, sie sollten an eine wohltätige Einrichtung gespendet werden.)<br />
Darf meine Freundin einen nicht-muslimischen Freund haben (Sie darf überhaupt keinen<br />
Freund haben, sondern muss die Beziehung sofort beenden und hoffen, dass Gott ihr ver-<br />
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