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4.2.2 Lehrkräfte für die interkulturelle Kooperation mit Eltern qualifizieren<br />

In der Auseinandersetzung mit den Herausforderungen an Schule in der Einwanderungsgesellschaft<br />

werden an die Kompetenzen der Lehrkräfte hohe Anforderungen gestellt. Wissen<br />

über die sozialkulturellen Hintergründe der Schüler/innen und interkulturelle Kompetenz sind<br />

wesentliche Voraussetzungen für eine erfolgreiche Kooperation mit Eltern.<br />

a) Migrationsspezifische und sozialkulturelle Hintergrundinformationen ermitteln<br />

Nicht hinter jedem mit dem Islam begründeten elterlichen Einspruch steht eine religiöse<br />

Überzeugung. Handelt es sich um eine religiöse Position, die aus Sorge um das Seelenheil<br />

des Kindes getroffen wurde, oder um eine konservative Tradition (z.B. auf den Ehrbegriff<br />

bezogen), die mit der Religion nichts zutun hat Vielleicht sind die religiösen Argumente aber<br />

auch nur vorgeschoben, weil man über die eigentlichen Gründe (man kann die Klassenfahrt<br />

nicht finanzieren, hält sie für pädagogisch überflüssig, hält die Kinder für eine Trennung von<br />

der Familie für zu jung, braucht die Tochter für die häusliche Betreuung der jüngeren Geschwister)<br />

nicht reden möchte. Möglicherweise liegt der Argumentation der Eltern aber auch<br />

eine Mischung aus religiösen und traditionellen Erziehungsvorstellungen und pragmatischen<br />

Alltagsüberlegungen zugrunde (vgl. Kleff 2005). Um konstruktiv mit dem Einspruch der Eltern<br />

umgehen und überzeugend die Position der Schule vertreten zu können, müssen Lehrkräfte<br />

in der Lage sein, die richtigen Fragen zu stellen, um die für die Entscheidung tragenden Erwägungen<br />

der Eltern zu ermitteln.<br />

Lehrkräfte wissen in der Regel wenig über die Traditionen in den Herkunftsländern der<br />

Migranten und über den Islam, seine Bedeutung in den lebensweltlichen Diskursen und für<br />

die Alltagsbewältigung der Schüler/innen und ihrer Eltern. Fehlende oder falsche Informationen<br />

über ihre migrations- und kulturspezifischen Hintergründe fördern die Bereitschaft, Einstellungen<br />

von Schüler/innen und ihren Eltern, die nicht der aktuellen politisch korrekten Geschlechterdebatte<br />

entsprechen, als Ausdruck eines rückständigen Islams zu betrachten oder<br />

Gewaltvorfälle zu kulturalisieren, indem sie mit der arabischen/türkischen Kultur begründet<br />

werden (vgl. Seidel 2005, Lubig-Fohsel 2006).<br />

Die Zugehörigkeit zur Unterschicht, mangelnde Ausdrucksfähigkeit, patriarchale Traditionen,<br />

religiöse Orientierungen und gesellschaftliche Marginalisierung lassen ein komplexes Bild<br />

von Familien mit Migrationshintergrund entstehen. Angesichts dieser Gemengelage ist eine<br />

differenzierte Einschätzung der sozialkulturellen Hintergründe schwierig, um die Argumentation<br />

und die Entscheidungen der Eltern zu verstehen. Die verschiedenen Ebenen, die Alltagshandeln<br />

bestimmen, zu kennen und auseinander zu halten, ist Voraussetzung für die<br />

Entwicklung einer wirkungsvollen Argumentation. Vor allem in multikulturell zusammengesetzten<br />

Klassen, so die Klagen vieler Lehrkräfte, sei es zeitlich und arbeitstechnisch kaum<br />

möglich, sich umfassend zu informieren. Hinzu komme, dass zentrale Informationsveranstaltungen<br />

nicht immer die Informationen vermittelten, die man brauche, um sie in der Elternarbeit<br />

wirkungsvoll umzusetzen. Über eher unaufwändige, unspektakuläre Formen der Informationsbeschaffung<br />

und des Austausches zwischen Lehrkräften und Eltern berichten Kollberg<br />

und Wenzel aus Kanada (2006). Aus ihrem Bericht spricht das Staunen über ein völlig<br />

anderes Selbstverständnis der Kooperation mit den Eltern. Die Lehrkräfte und Schulleitungen<br />

machen sich nicht von den Informationen von außerhalb, z.B. der Schulverwaltung oder<br />

Fortbildungen, abhängig, sondern erzielen mit unaufwändigen Mitteln eine hohe Wirkung.<br />

Die Autoren berichten, dass die Lehrkräfte sehr genau über die Migrationshintergründe und<br />

Lebenssituation der Familien, deren Kinder sie beschulen, informiert waren. Diese Informationen<br />

werden im Kontext ihrer Arbeit, etwa als Nebenergebnis der Gespräche mit den Eltern,<br />

erworben. Die Kommunikation entsteht im Rahmen selbstverständlicher täglicher Abläufe:<br />

Abholen der Schüler/innen auf dem Schulhof, informelle Begegnung und Austausch mit den<br />

Eltern in der Schule.<br />

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