Weblink...(PDF) - Dr. Stephan Rosiny
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4.2.2 Lehrkräfte für die interkulturelle Kooperation mit Eltern qualifizieren<br />
In der Auseinandersetzung mit den Herausforderungen an Schule in der Einwanderungsgesellschaft<br />
werden an die Kompetenzen der Lehrkräfte hohe Anforderungen gestellt. Wissen<br />
über die sozialkulturellen Hintergründe der Schüler/innen und interkulturelle Kompetenz sind<br />
wesentliche Voraussetzungen für eine erfolgreiche Kooperation mit Eltern.<br />
a) Migrationsspezifische und sozialkulturelle Hintergrundinformationen ermitteln<br />
Nicht hinter jedem mit dem Islam begründeten elterlichen Einspruch steht eine religiöse<br />
Überzeugung. Handelt es sich um eine religiöse Position, die aus Sorge um das Seelenheil<br />
des Kindes getroffen wurde, oder um eine konservative Tradition (z.B. auf den Ehrbegriff<br />
bezogen), die mit der Religion nichts zutun hat Vielleicht sind die religiösen Argumente aber<br />
auch nur vorgeschoben, weil man über die eigentlichen Gründe (man kann die Klassenfahrt<br />
nicht finanzieren, hält sie für pädagogisch überflüssig, hält die Kinder für eine Trennung von<br />
der Familie für zu jung, braucht die Tochter für die häusliche Betreuung der jüngeren Geschwister)<br />
nicht reden möchte. Möglicherweise liegt der Argumentation der Eltern aber auch<br />
eine Mischung aus religiösen und traditionellen Erziehungsvorstellungen und pragmatischen<br />
Alltagsüberlegungen zugrunde (vgl. Kleff 2005). Um konstruktiv mit dem Einspruch der Eltern<br />
umgehen und überzeugend die Position der Schule vertreten zu können, müssen Lehrkräfte<br />
in der Lage sein, die richtigen Fragen zu stellen, um die für die Entscheidung tragenden Erwägungen<br />
der Eltern zu ermitteln.<br />
Lehrkräfte wissen in der Regel wenig über die Traditionen in den Herkunftsländern der<br />
Migranten und über den Islam, seine Bedeutung in den lebensweltlichen Diskursen und für<br />
die Alltagsbewältigung der Schüler/innen und ihrer Eltern. Fehlende oder falsche Informationen<br />
über ihre migrations- und kulturspezifischen Hintergründe fördern die Bereitschaft, Einstellungen<br />
von Schüler/innen und ihren Eltern, die nicht der aktuellen politisch korrekten Geschlechterdebatte<br />
entsprechen, als Ausdruck eines rückständigen Islams zu betrachten oder<br />
Gewaltvorfälle zu kulturalisieren, indem sie mit der arabischen/türkischen Kultur begründet<br />
werden (vgl. Seidel 2005, Lubig-Fohsel 2006).<br />
Die Zugehörigkeit zur Unterschicht, mangelnde Ausdrucksfähigkeit, patriarchale Traditionen,<br />
religiöse Orientierungen und gesellschaftliche Marginalisierung lassen ein komplexes Bild<br />
von Familien mit Migrationshintergrund entstehen. Angesichts dieser Gemengelage ist eine<br />
differenzierte Einschätzung der sozialkulturellen Hintergründe schwierig, um die Argumentation<br />
und die Entscheidungen der Eltern zu verstehen. Die verschiedenen Ebenen, die Alltagshandeln<br />
bestimmen, zu kennen und auseinander zu halten, ist Voraussetzung für die<br />
Entwicklung einer wirkungsvollen Argumentation. Vor allem in multikulturell zusammengesetzten<br />
Klassen, so die Klagen vieler Lehrkräfte, sei es zeitlich und arbeitstechnisch kaum<br />
möglich, sich umfassend zu informieren. Hinzu komme, dass zentrale Informationsveranstaltungen<br />
nicht immer die Informationen vermittelten, die man brauche, um sie in der Elternarbeit<br />
wirkungsvoll umzusetzen. Über eher unaufwändige, unspektakuläre Formen der Informationsbeschaffung<br />
und des Austausches zwischen Lehrkräften und Eltern berichten Kollberg<br />
und Wenzel aus Kanada (2006). Aus ihrem Bericht spricht das Staunen über ein völlig<br />
anderes Selbstverständnis der Kooperation mit den Eltern. Die Lehrkräfte und Schulleitungen<br />
machen sich nicht von den Informationen von außerhalb, z.B. der Schulverwaltung oder<br />
Fortbildungen, abhängig, sondern erzielen mit unaufwändigen Mitteln eine hohe Wirkung.<br />
Die Autoren berichten, dass die Lehrkräfte sehr genau über die Migrationshintergründe und<br />
Lebenssituation der Familien, deren Kinder sie beschulen, informiert waren. Diese Informationen<br />
werden im Kontext ihrer Arbeit, etwa als Nebenergebnis der Gespräche mit den Eltern,<br />
erworben. Die Kommunikation entsteht im Rahmen selbstverständlicher täglicher Abläufe:<br />
Abholen der Schüler/innen auf dem Schulhof, informelle Begegnung und Austausch mit den<br />
Eltern in der Schule.<br />
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