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Weblink...(PDF) - Dr. Stephan Rosiny

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Einen einheitlichen islamischen Religionsunterricht gibt es in Berlin ebenso wenig wie einen<br />

Studiengang zur Ausbildung von Lehrenden für islamische Religion und eine islamische<br />

Fachdidaktik als akademische Disziplin. Die Lehrenden sind darauf angewiesen, didaktische<br />

Entscheidungen vor dem Hintergrund ihrer jeweiligen Ausbildung in den meisten Fällen individuell<br />

zu treffen, und sich in einigen exemplarischen Fällen unter Kollegen und Kolleginnen<br />

auf ein bestimmtes Vorgehen, auf einen bestimmten Standard zu einigen. Ich kann hier etwas<br />

darüber sagen, wie ein an der FU Berlin ausgebildeter Politologe und eine in der Türkei<br />

ausgebildete Deutschlehrerin den islamischen Religionsunterricht gestalten. Keinen Einblick<br />

habe ich hingegen, wie ein in der Türkei studierter Theologe seine didaktischen Entscheidungen<br />

begründet.<br />

Was lässt sich innerhalb des gesteckten Rahmens über den beruflichen Alltag der Lehrer/innen<br />

für islamische Religion sagen Zuerst einmal gewinnen sie mit jedem Jahr an Erfahrung<br />

und Sicherheit in ihrem Beruf und in ihrem professionellen Umfeld:<br />

Lehrerin P.: „Auf der Schule war damals alles schwer, ich bin da mit Kopftuch, ich war<br />

froh, wenn der Hausmeister mich gegrüßt hat, und ich war froh, wenn eine Lehrerin<br />

sich kurz mit mir unterhalten hat, überhaupt gefragt hat: Was machst du denn, wo<br />

wohnst du denn, oder so. Ich weiß noch ganz genau, im ersten Jahr hatten wir ein<br />

Grillfest, und da sind wir uns mit einigen Lehrer/innen näher gekommen, die ganze<br />

Woche, ich hab es jedem erzählt. Oh wisst ihr, wir duzen uns! Mit drei Lehrer/innen:<br />

Wir duzen uns! Das war unbeschreiblich, die Anerkennung, und es war, ich kann<br />

das nicht beschreiben, es war wirklich so, ja jetzt haben die mich anerkannt und danach<br />

bin ich ohne Ängste in die Schule gegangen. Letztens hat der Direktor auch<br />

„du“ gesagt, also ich habe jetzt einen super Kontakt zu den Lehrer/innen und den<br />

Sekretärinnen. Das läuft bestens. Ich werd bei Problemen gefragt; dann fragen sie:<br />

Könntest du nicht auch mal hier sitzen und mit den Eltern reden, wenn jetzt speziell<br />

religiöse Probleme bei den Kindern auftauchen und da in der Ecke ist sehr viel Gewalt<br />

unter den Kindern.“<br />

Eine Situation, die in der geschilderten Weise durch das Misstrauen und die Ablehnung der<br />

Aufnahmegesellschaft geprägt ist, gestalten zu können, erfordert nicht nur ein hohes Maß an<br />

Offenheit und gutem Willen, sondern setzt schlicht eine Persönlichkeit voraus, der es möglich<br />

ist, auf andere in dieser Form zuzugehen, und das zu tun, was Kinder in der Schule lernen<br />

sollen: zu differenzieren. Ob Lehrer/innen für islamische Religion in Berlin mit Kolleginnen<br />

und Kollegen anderer Fächer kooperieren, ob sie sich in den Schulalltag einfinden und<br />

damit die Voraussetzung schaffen, zur Integration muslimischer Schüler/innen beizutragen,<br />

ist nicht in erster Linie einem liberalen oder kompatiblen Islamverständnis geschuldet, sondern<br />

hängt ganz entscheidend davon ab, auf welche Atmosphäre die Lehrer/innen stoßen<br />

und welche Persönlichkeitsstruktur sie mitbringen. Das Zitat macht deutlich, dass unter den<br />

gegebenen Bedingungen womöglich jahrelange harte und geduldige „Beziehungsarbeit“ nötig<br />

ist, um eine gute Kommunikation aufzubauen. Der Gesprächsausschnitt zeigt außerdem,<br />

dass die Lehrerin ihre Integrationsarbeit als einseitige Anstrengung erlebt und annimmt.<br />

Den Lehrer/innen für islamische Religion wird immer wieder die Frage gestellt, wie sie sich<br />

gegenüber den muslimischen Eltern und ihren Erziehungsvorstellungen positionieren. Wie<br />

gehen sie damit um, wenn ein vorpubertäres Kind im Ramadan mitfastet, wenn ein Mädchen<br />

das Kopftuch trägt oder die Eltern nicht wünschen, dass es am Schwimmunterricht teilnimmt<br />

Lehrerin N.: „Das sind Themen, die persönliche Entscheidungen verlangen. Egal was<br />

ich sage, werden die Entscheidungen später doch die Eltern treffen, ob das Kind in<br />

der Schule essen darf, ob es Kopftuch tragen muss oder nicht, das sind Entscheidungen,<br />

die in der Familie gefällt werden. Und das sind Entscheidungen, die die<br />

Familie persönlich betreffen und uns nur indirekt. Da muss ich es einfach der Familie<br />

überlassen. Ich hab an beiden Schulen, an denen ich unterrichte, kein Mädchen,<br />

das Kopftuch trägt. Deswegen ist es für mich kein Problem, anscheinend entscheiden<br />

sich alle Familien dafür [kein Kopftuch zu tragen], und später wird's eine individuelle<br />

Entscheidung sein. Das ist für mich zur Zeit keine Problematik, deswegen<br />

spreche ich nicht mit den Kindern, es muss ja auch kein Kopftuch tragen. Es wäre<br />

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