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Weblink...(PDF) - Dr. Stephan Rosiny

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andere Zeit als die eure geschaffen worden.”18 Diese Form des Pragmatismus kennt der<br />

radikale Islamismus mit seiner Betonung einer öffentlich zur Schau gestellten Befolgung von<br />

Regeln und seiner Strafmentalität dagegen nicht.<br />

Der islamische Mondkalender<br />

Doch wo liegt der Übergang von erlaubter Reform (Islāh) zu unerlaubter Neuerung (Bid'a)<br />

Wie über solche Grenzziehung innerislamisch befunden werden kann, lässt sich beispielhaft<br />

an der Methode zur Bestimmung des Monatsbeginns demonstrieren. Der islamische Jahreskalender<br />

besteht aus 12 Monaten, die sich nach dem Mondzyklus richten und 29 oder 30<br />

Tage lang sind. Da das islamische Jahr dadurch rund 11 Tage kürzer als das Sonnenjahr ist,<br />

verschieben sich religiöse Rituale und Feste und können in unterschiedliche Jahreszeiten<br />

fallen.<br />

Mit Erscheinen des neuen Mondes (Hilāl) beginnt ein neuer Monat. Die Mehrheit der Gelehrten<br />

geht davon aus, dass die tatsächliche Sichtung der Mondsichel (Ru'yat al-Hilāl) durch<br />

zuverlässige Zeugen den Monatsbeginn markiert. Ist der Himmel verhangen, endet der Monat<br />

hingegen automatisch nach 30 Tagen. 19 Die Sichtbarwerdung des Mondes hängt aber<br />

auch von der Position auf der Erdkugel ab. Durch diese Unsicherheitsfaktoren kommt es<br />

immer wieder von Land zu Land und sogar von Moschee zu Moschee zu differierender Festlegung<br />

des Monatsanfangs. Insbesondere in den heiligen Monaten, in denen für alle Muslime<br />

verbindliche Pflichten und Feste liegen, führt dies zu Verwirrung, so beim Fastenmonat Ramadān,<br />

beim Fest des Fastenbrechens (`Īd al-Fitr) und beim Pilgermonat Dhū al-Hijja mit<br />

dem Opferfest (`Īd al-Adhā). Viele Muslime in Europa orientieren sich mittlerweile an der Monatsbestimmung<br />

von Saudi-Arabien, die in Mekka durch Sichtung des Mondes festgelegt<br />

wird, oder an der von ihrem Heimatland. Dies ist jedoch erst seit der Einführung von schnellen<br />

Kommunikationsmedien möglich. Dennoch kommt es jedes Jahr besonders bei der Bestimmung<br />

von Anfang und Ende des Ramadān zu Meinungsverschiedenheiten, weshalb<br />

Beginn und Ende der Fastenzeit auf zwei, in seltenen Fällen sogar auf drei verschiedene<br />

Tage fallen können. 20<br />

Schon klassische Juristen haben zur Sichtung der Mondsichel technische Hilfsmittel wie<br />

Fernrohre zugelassen. In jüngster Zeit wurde sogar diskutiert, einen „islamischen Satelliten”<br />

ins All zu schicken, mit dessen Hilfe wetterunabhängig und für die gesamte Welt einheitlich<br />

der Monatsbeginn bestimmt werden könnte. Andere Rechtsgelehrte beharren hingegen darauf,<br />

dass die Sichtung ausschließlich mit bloßem Auge geschehen dürfe. 21 Schließlich nutzt<br />

eine Minderheit die astronomische Berechnung, die wetter- und ortsunabhängig anwendbar<br />

ist. Ihrer Meinung nach verlangten die frühen Quellen nur deshalb die Sichtung des neuen<br />

Mondes, weil es seinerzeit noch keine verlässliche Bestimmungsmethode des Mondzyklus<br />

gab. Dem halten die Befürworter der Sichtung entgegen, dass im Hadīth ausdrücklich die<br />

Sichtbarkeit verlangt werde und dem Usus des Propheten zu folgen sei. Auch falle die Berechnung<br />

unter das islamische Verbot von Sterndeuterei und Magie. 22<br />

18 Imam Ali: Nahj al-Balagha.<br />

19 Der relevante Hadīth bei Muslim, einem der kanonischen Hadīth-Sammler, lautet: „Beginnt mit dem<br />

Fasten, sobald ihr die Mondsichel gesehen habt, und beendet das Fasten mit seiner Sichtung. Zählt<br />

30 Tage, wenn er [der neue Mond] (wegen Bewölkung) verborgen ist.“ Ähnlich lautende Bestimmungen<br />

finden sich auch in anderen Hadīth-Sammlungen.<br />

20 So geschehen im Jahre 2006, bedingt durch Berechnung und unterschiedliche Sichtung an verschiedenen<br />

Orten.<br />

21 In diesem Sinne etwa auch die IGMG in Deutschland („Über die Sichtung der Mondsichel“,<br />

http://www.igmg.de/index.phpmodule=ContentExpress&func=display&ceid=2581&itmid=1).<br />

22 Das Fiqh Council of North America hat 2006 die ausschließlich astronomische Berechnung als Methode<br />

zugelassen. Ihr Mitglied, Zulfiqar Ali Shah, führt in seinem Beitrag „Astronomical Calculations: A<br />

Fiqhi Discussion“ die Pro- und Contra-Argumente beider Seiten auf.<br />

29

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