Weblink...(PDF) - Dr. Stephan Rosiny
Weblink...(PDF) - Dr. Stephan Rosiny
Weblink...(PDF) - Dr. Stephan Rosiny
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Beispiel Sexualkundeunterricht<br />
Sexualkundeunterricht ist in den Augen vieler arabischer Eltern für Jungen und Mädchen<br />
gleichermaßen problematisch, da bei ihnen Sexualität nach wie vor stark tabuisiert ist, und<br />
zwar unabhängig von ihrem Bildungsstand.<br />
Auf die Frage, ob die Tochter am Sexualkundeunterricht teilnehmen kann, antwortete eine<br />
Mutter, die Analphabetin ist: „Die Lehrerin weiß besser als ich, was meine Tochter wissen<br />
sollte. Alle Möglichkeiten, die meine Tochter hier hat, und die ich nie hatte, soll sie wahrnehmen“.<br />
Auf die gleiche Frage antwortete ein Universitätsdozent: „Ich lasse mich und meine<br />
Tochter nicht von den Deutschen beeinflussen.“<br />
In den allermeisten Fällen wird die Ablehnung des Sexualkundeunterrichts nicht islamisch<br />
begründet, sondern mit der Tradition im Herkunftsland. Die Eltern sagen, dass es bei ihnen<br />
nicht üblich sei, über Sexualität zu sprechen, dass es für die Kinder zu früh sei, darüber etwas<br />
zu lernen und dass sie selbst auch erst mit der Heirat ihre ersten Erfahrungen gemacht<br />
hätten. Meistens wird auch eine klare Abgrenzung zu den Deutschen („dem Westen“) vorgenommen.<br />
„Meine Tochter wird ohnehin keinen Freund haben, deshalb braucht sie darüber<br />
auch nichts zu wissen.“<br />
In den Fällen, in denen die Ablehnung islamisch begründet wird, versuchen wir zu erklären,<br />
dass Islamgelehrte im Vergleich zu ihren christlichen Kollegen sehr offen über Sexualität<br />
sprechen und das Thema in islamischen Rechtsbüchern sehr detailliert behandelt wird.<br />
In den überwiegenden Fällen, in denen die Ablehnung des Sexualkundeunterrichts mit der<br />
Tradition begründet wird, fragen wir die Eltern, besonders die Mütter, nach ihren eigenen<br />
Erfahrungen. Wie war es für sie, die erste Periode zu bekommen, ohne je darüber informiert<br />
worden zu sein Wie war der erste sexuelle Kontakt in der Hochzeitsnacht, ohne irgendwelche<br />
Kenntnisse über ihren eigenen oder den männlichen Körper zu haben Meist geben sie<br />
dann zu, dass diese Erfahrungen traumatisch für sie waren und dass es besser gewesen<br />
wäre, wenn sie vorher informiert gewesen wären. Wir vermitteln ihnen dann, dass dieser<br />
Unterricht ihren Kindern gerade die Chance bietet, etwas über die Entwicklung ihres Körpers<br />
und seine Funktionsweise zu erfahren, um sie vor negativen Überraschungen zu bewahren.<br />
Die Kinder sollen im Sexualkundeunterricht lernen, dass sie das Recht haben, über ihren<br />
Körper selbst zu bestimmen. Dies biete den wirksamsten Schutz gegen sexuellen Missbrauch<br />
und Belästigungen. Nach diesen Gesprächen sehen die Eltern diesen Unterricht nicht<br />
mehr als „Sex-Unterricht“, sondern als Aufklärung zum Nutzen ihrer Kinder.<br />
Beispiel Klassenfahrt<br />
Die Teilnahme an der Klassenfahrt ist in der Regel nur bei Mädchen ein Problem. Wenn die<br />
Ablehnung islamisch begründet wird, liegt dies an der Befürchtung, Jungen und Mädchen<br />
würden zusammen in einem Raum schlafen. Diese Befürchtung können wir leicht mit der<br />
Information ausräumen, dass bei Klassenfahrten Jungen und Mädchen selbstverständlich<br />
getrennt untergebracht sind. Dies zeigt das fehlende Wissen der Eltern, aber auch die mangelnde<br />
Aufklärung von Seiten der Lehrer darüber, wie eine Klassenfahrt abläuft.<br />
Häufig verweisen wir auf das Vorbild anderer Familien, die ihre Töchter an Klassenfahrten<br />
haben teilnehmen lassen, gerade auch Mädchen mit Kopftuch. Wir bieten ihnen an, mit diesen<br />
Kontakt aufzunehmen, um von deren positiven Erfahrungen zu hören.<br />
Meist sind es allerdings andere Gründe, warum eine Teilnahme an der Klassenfahrt von den<br />
Eltern abgelehnt wird. Häufig ziehen Lehrer den kulturellen oder religiösen Hintergrund als<br />
Erklärungsmuster heran, obwohl dies in die falsche Richtung geht.<br />
99