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Fazit<br />

einer Art „Konkurrenzsituation“ mit Israel und Juden um die Anerkennung von Opfern<br />

und Leidensgeschichte sehen.<br />

9. In der Auseinandersetzung mit Feindschaft und Hass gegen Juden können Hinweise<br />

auf islamische religiöse Toleranz gegenüber Juden und anderen Religionen hilfreich<br />

sein. Diese lässt sich mit Texten aus Koran und Sunna belegen, wobei ggf. auch Eltern<br />

und örtliche Imame Unterstützung leisten können. Der Bezug auf die Toleranz in<br />

religiösen Dingen hilft allerdings dann nicht weiter, wenn es heißt „Wir haben gar<br />

nichts gegen Juden, wir sind nur gegen den Zionismus“, dann aber im Kontext dieses<br />

„Antizionismus“ charakteristische antisemitische Stereotypen reproduziert werden. 64<br />

Ein in diesem Zusammenhang ebenso häufig vorgetragenes Argument lautet, dass<br />

Araber gar nicht antisemitisch sein könnten, da sie ja selbst Semiten seien. Hier ist<br />

deutlich zu machen, dass Hebräisch und Arabisch lediglich zur semitischen Sprachfamilie<br />

gezählt werden, es sich bei der Behauptung, es gebe Semiten, hingegen<br />

schlicht um eine rassistische Konstruktion handelt. Außerdem ist der Begriff des Anti-<br />

Semitismus in seiner Geschichte immer und ausschließlich für den Hass auf Juden<br />

verwendet worden – weshalb natürlich auch „Araber“ antisemitisch sein können.<br />

10. Nicht zuletzt müssen deutsche Pädagoginnen und Pädagogen ihren eigenen Standpunkt<br />

reflektieren. Wie die Positionen ihrer Schüler und Schülerinnen mit migrantischem<br />

Hintergrund sind auch diese bedingt durch aktuelle Geschichtsbetrachtung<br />

und gesellschaftliches Umfeld. Es ist wichtig, das spezifische Gewordensein, bzw. die<br />

gewachsene Unterschiedlichkeit von Perspektiven ins Bewusstsein zu rücken.<br />

Aktueller Antisemitismus unter Jugendlichen mit Migrationshintergrund aus dem Nahen und<br />

Mittleren Osten kommt eher in spontaner und fragmentarischer als in Form eines festen und<br />

kompletten Weltbildes vor. Dabei erfüllt der Diskurs über den Nahostkonflikt und das Feindbild<br />

Israel bei Jugendlichen arabischer und/oder muslimischer Herkunft verschiedene Funktionen:<br />

So dient der Konflikt u.a. als Projektionsfläche für hiesige Marginalisierungserfahrungen.<br />

Häufig wird dabei eine kollektive Opferperspektive eingenommen: Schuld sind und waren<br />

immer die anderen. Das kann zu Hassideologien führen und erschwert Integration und<br />

Fortkommen in Deutschland.<br />

In der Pädagogik sollten vor diesem Hintergrund im Dialog zunächst die Perspektiven, Erzählungen<br />

und Emotionen der Jugendlichen aufgegriffen und anerkannt und nicht etwa abqualifiziert<br />

oder moralisch verurteilt werden. Dazu gehört sehr wesentlich auch die Würdigung<br />

einer „arabischen Perspektive“ auf den Nahostkonflikt. Verzerrten einseitigen Darstellungen<br />

und reinen Opferperspektiven jedoch kann durch multiperspektivische Auseinandersetzung<br />

mit dem Konflikt, Diversity- und Menschenrechtsansätze sowie mit dem Bestreben<br />

begegnet werden, die Jugendlichen und ihre Familien nicht als Opfer, sondern als Akteure in<br />

schwierigen Verhältnissen erkennbar zu machen. Dazu braucht es Pädagoginnen und Pädagogen,<br />

die sensibel gegenüber Antisemitismus, aber auch gegenüber anderen Feindbildern<br />

und Rassismus sind, den Mut zur Konfrontation aufbringen, aber auch bereitsind, eigene<br />

Perspektiven zu hinterfragen und sich auf ein ihnen noch unbekanntes Terrain zubegeben.<br />

Hilfreich sind dabei neben allgemeinen Kenntnissen zum Antisemitismus auch Wissen<br />

über den Nahostkonflikt, die Geschichte der Migration aus dem Nahen und Mittleren Osten<br />

sowie über die rechtliche und soziale Situation von Migranten in Deutschland.<br />

64 Siehe dazu Fußnote 57.<br />

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