Weblink...(PDF) - Dr. Stephan Rosiny
Weblink...(PDF) - Dr. Stephan Rosiny
Weblink...(PDF) - Dr. Stephan Rosiny
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
„Das muss jeder Gläubige für sich entscheiden“<br />
Ein Interview des Islamwissenschaftlers <strong>Stephan</strong> <strong>Rosiny</strong> mit dem Imam Ferid Heider<br />
1. Zum Umgang mit Andersgläubigen und Atheisten<br />
ROSINY: Lehrer berichten immer wieder von muslimischen Schülern, die Andersgläubige<br />
beschimpfen und verunglimpfen. Deshalb zunächst eine allgemeine Frage: Wie sollen sich<br />
Muslime Nichtmuslimen gegenüber verhalten<br />
HEIDER: Es gibt hierzu eine wichtige Stelle im Koran in der Surat al-mumtahana: „Allah hindert<br />
euch nicht, gegenüber denjenigen, die euch nicht aufgrund ihrer Religion bekämpfen<br />
und euch nicht aus euren Häusern vertreiben, gütig zu sein und sie gerecht zu behandeln.“<br />
Güte ist ein sehr weit reichender Begriff, der noch weiter reicht als Gerechtigkeit. Derselbe<br />
Begriff wird etwa auch in Bezug auf den Umgang mit den eigenen Eltern verwendet, d.h.,<br />
von Muslimen wird „Güte gegenüber den Eltern“ verlangt. Wenn der Koran denselben Begriff<br />
auch für Andersgläubige verwendet, heißt das, dass sie eine sehr hohe Stellung genießen.<br />
Ich muss als Muslim wirklich versuchen, einen Andersgläubigen genauso zu behandeln wie<br />
ich einen Gläubigen behandeln würde. Ich darf keinen Unterschied machen. Warum Weil<br />
es keinen Grund gibt, ihn irgendwie anders zu behandeln. Denn er bekämpft mich nicht und<br />
wir leben friedlich miteinander. Warum sollte ich ihn anders behandeln Im Gegenteil, als<br />
Muslim sollte ich mich sogar bemühen, zu ihm noch besser zu sein als er zu mir, weil ich als<br />
Muslim die Pflicht von Gott habe, andere Menschen zum Islam einzuladen. Und um andere<br />
Menschen zum Islam einzuladen, muss ich einen guten Charakter an den Tag legen. Ich<br />
muss mit den Menschen in einer Weise umgehen, die sie mir näher bringt, und nicht so,<br />
dass sie sich von mir distanzieren. Aus diesem Grund muss ich als Muslim mit Güte und<br />
Barmherzigkeit mit diesen Menschen umgehe, da die meisten Gebote aus dem Koran und<br />
aus der Lebensweise des Propheten allgemeingültig und zeitlich unbegrenzt gültig sind. Auf<br />
sie beziehen wir uns immer wieder als Muslime. Und eines der Gebote lautet: Wenn ich mit<br />
Nichtmuslimen, mit Andersgläubigen gemeinsam in einer Gesellschaft lebe und sie mich in<br />
meiner Religion nicht bekämpfen und mich nicht vertreiben, dann muss ich Güte zeigen,<br />
dann muss ich versuchen, sie sogar noch besser zu behandeln als ich andere Muslime behandle.<br />
ROSINY: Unterscheidet sich das gebotene Verhalten heutiger Muslime den Anhängern von<br />
„Buchreligionen“ (Ahl al-Kitab), d.h. den Christen und Juden gegenüber, von dem den Polytheisten<br />
und Atheisten gegenüber<br />
HEIDER: Nein, das gebotene Verhalten unterscheidet sich nicht. Natürlich hat man eher eine<br />
Nähe zu den Ahl al-Kitab als zu anderen Religionsgemeinschaften oder gar zu Atheisten. Zu<br />
denen gibt es kaum Berührungspunkte. Wir glauben an Gott, sie glauben nicht an Gott. Natürlich<br />
kann man über andere Punkte wie z.B. Menschenrechte diskutieren. Aber was den<br />
interreligiösen Dialog anbelangt, so haben wir eine gewisse Nähe zu den Ahl al-Kitab. Im<br />
zwischenmenschlichen Umgang gibt es jedoch keinen Unterschied. Ich als Muslim würde<br />
einen Christen genauso behandeln wie ich einen Atheisten behandle. Ich frag nicht erst:<br />
„Was bist du“ und entscheide dann, wie ich mich ihm gegenüber verhalte. Zumal für mich<br />
als Muslim alle moralischen Grundlagen in jeder Situation in Bezug auf jeden Menschen gelten,<br />
egal ob er ein Muslim ist oder nicht. Wenn ich einen Menschen nicht belügen darf, bezieht<br />
sich das auf einen Muslim wie auf einen Nichtmuslim. Wenn ich keine üble Nachrede<br />
begehen darf, nicht stehlen oder Gewalt anwenden darf, dann bezieht sich das auf mein<br />
Verhalten Muslimen und Nichtmuslimen gegenüber. In dieser Hinsicht sind für uns Muslime<br />
alle Menschen gleich.<br />
ROSINY: Aber werden Nichtmuslime nicht schon allein dadurch diskriminiert, dass sie nicht<br />
ins Paradies gelangen können und stattdessen in die Hölle kommen<br />
HEIDER: Das darf auf keinen Fall passieren, dass sie dadurch in ihrem alltäglichen Leben<br />
diskriminiert werden.<br />
56