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Weblink...(PDF) - Dr. Stephan Rosiny

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Dazu gehörte auch Wissen darüber, dass bestimmte demokratiefeindliche, antipluralistische<br />

Überzeugungen unter Migranten muslimischer, türkischer und arabischer Herkunft vorkommen<br />

mögen, nichts mit Islam oder Islamismus zu tun haben müssen. Zu denken wäre dabei<br />

etwa an Antisemitismus, Homophobie, traditionalistische Ehrbegriffe und Wertvorstellungen<br />

etwa zur Rolle von Frauen sowie gewaltlegitimierende Männlichkeitsnormen. Alles dies sind<br />

Einstellungen, die in der Region des Nahen und Mittleren Ostens sowie unter Migranten aus<br />

diesen Regionen zwar durchaus verbreitet sind – allerdings nicht als Hinweis auf islamistische<br />

Überzeugungen taugen.<br />

Kurz gesagt: Das zum Erkennen und Einordnen solcher Einstellungen erforderliche Wissen<br />

lässt sich so schnell nicht gewinnen. Vor diesem Hintergrund ist es umso wichtiger, zunächst<br />

einige allgemeine Charakteristika des Islamismus zu bedenken, um Schlüsse für den pädagogischen<br />

Umgang mit Jugendlichen zu ziehen, die aus muslimisch geprägten Milieus kommen<br />

und möglicherweise islamistische Überzeugungen vertreten.<br />

Zentrale Bedeutung für das Verständnis des Islamismus und die pädagogische Praxis hat<br />

der häufig vernachlässigte Umstand, dass es sich beim Islamismus zuallererst um eine Gemeinschaftsideologie<br />

handelt: Über den Bezug auf das Kollektiv der umma - verstanden als<br />

Gemeinschaft der Muslime - verspricht sie dem Einzelnen Orientierung, Identität und ein<br />

Gefühl von Sicherheit und Stärke. Zugehörigkeit, Identität und Stärke sind aber gerade für<br />

Jugendliche zentrale Themen. Das gilt insbesondere für Jugendliche mit Migrationshintergrund<br />

: Zum einen, weil sie in Schule und Gesellschaft aufgrund ihrer Herkunft und Religion<br />

ohnehin häufig marginalisiert oder diskriminiert werden. Zum anderen aber auch, weil<br />

vielen Jugendlichen der zweiten oder dritten Generation traditionelle Glaubenspraktiken und<br />

Wertvorstellungen ihrer Eltern in der deutschen Umgebung unpassend und inhaltsleer erscheinen.<br />

Viele Jugendliche aus islamisch geprägten Milieus sehen sich zwischen Baum und<br />

Borke und suchen nach Lebensentwürfen, mit denen sich „alte“ und „neue“ Identitäten verbinden<br />

lassen. Solche Jugendlichen sind es, denen islamistisches Weltbild und islamistische<br />

Lebenspraxis attraktiv erscheinen können.<br />

Gangsta-Rap und Pop-Islamisten<br />

Ihre Suchbewegung kann indes sehr verschiedene und widersprüchlich erscheinende Formen<br />

annehmen. Das sollen zwei Beispiele aus dem Spektrum islamischer Jugendkultur verdeutlichen,<br />

die islamistische Züge aufweisen und derzeit im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses<br />

stehen. Auf der einen Seite der stark migrantisch geprägte Gangsta-Rap: Hier zählt<br />

die provokative Bewunderung für Bin Laden und die Anschläge vom 11.9. ebenso so zum<br />

Repertoire wie eine verbal-militante Abwendung von Deutschland und den Deutschen oder<br />

ein extremer Bezug auf Tradition und Ehre. All das klingt mitunter schwer nach radikalem<br />

Islamismus - etwa wenn Bushido in seinem Song „11. September“ rappt:<br />

„Der 11. September, der Tag der Entscheidung,<br />

ich bin dieser Junge über den man las in der Zeitung,<br />

wenn ich will seid ihr alle tot,<br />

ich bin ein Taliban,<br />

ihr Mißgeburten habt nur Kugeln aus Marzipan…<br />

ich lass dich bluten wie die Typen aus den Twin Towers,<br />

meine Freunde tragen Lederjacken und sind stinksauer…<br />

ich bin King Bushido, zweiter Name Mohammed,<br />

ich hab ein Flächenbrand über deine Stadt gelegt…“.<br />

Tatsächlich haben wir es hier aber kaum mit einer militant-islamistischen Weltanschauung,<br />

sondern eher mit den Fantasien pubertierender Jungs zu tun. Solche Fantasien kommen an<br />

im Kiez und unter Jugendlichen mit Migrationshintergrund, wo sie vor allem für junge Männer<br />

attraktiv sind, die sich auf ihrer Suche nach Identität und Perspektive in der Gesellschaft als<br />

Verlierer erleben. Kulturell und sozial marginalisiert wird ihnen unter Bezug auf den 11.9.<br />

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