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Weblink...(PDF) - Dr. Stephan Rosiny

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„die Zionisten“ 59 dann für einige Jugendliche zum Feindbild werden, kann dies gleich mehrere<br />

Funktionen erfüllen:<br />

- Als Sündenbock dienen Israel oder „die Juden“ der Kompensation und Aggressionsabfuhr<br />

im Sinne eines als gerecht empfundenen Zorns, der seine Ursachen aber nur<br />

bedingt im Nahen Osten hat.<br />

- Das Feindbild stiftet Gemeinschaft und erleichtert somit das Gefühl von Zugehörigkeit<br />

als Palästinenser, Libanesen, Araber oder Muslime – nicht zuletzt vor dem Hintergrund,<br />

in Deutschland nicht akzeptiert zu werden.<br />

- Durch die Denunzierung anderer fühlen sich Jugendliche stark, die sich in ihrem Alltag<br />

als schwach und ohnmächtig erleben.<br />

- Die im Blick auf den Nahostkonflikt oft eingenommene und in der Situation in<br />

Deutschland bestätigt gesehene Opferperspektive kann die eigene Lage erklären und<br />

entschuldigen und sie befreit von eigener Verantwortlichkeit.<br />

- Äußerungen von Hass auf Israel und die Juden dienen als gezielte Provokation der<br />

deutschen Mehrheitsgesellschaft – einschließlich ihrer Pädagogen, deren Unsicherheit<br />

an diesem Punkt wahrgenommen und mitunter ausgenutzt wird.<br />

Vor dem Hintergrund solcher Perspektiven und Funktionen ist – und das gilt insbesondere<br />

bei Jugendlichen - nicht jede anti-israelische bzw. antizionistische Haltung und nicht jede<br />

Dämonisierung israelischer Militäreinsätze gleich als Ausdruck von Antisemitismus und eines<br />

antisemitischen Weltbildes zu bewerten. Ein solches Verständnis würde den Begriff des Antisemitismus<br />

verwässern. Dennoch muss hier die pädagogische Intervention einsetzen: Zum<br />

einen, weil die beschriebenen Betrachtungsweisen des Nahostkonflikts sowie die skizzierten<br />

Funktionen des Feindbildes eine Vielzahl von Anknüpfungspunkten bieten, um aus Wut und<br />

Zorn über tatsächliche und vermeintlich erlittene Ungerechtigkeiten tatsächlich ein antisemitisches<br />

Weltbild erwachsen zu lassen. Nicht zufällig ist etwa die Konstruktion der eigenen<br />

Gemeinschaft als Opferkollektiv ein zentrales Motiv des modernen Antisemitismus. Zum anderen<br />

ist Intervention erforderlich, weil die auf die hiesige Situation übertragene Opferperspektive<br />

Integration und Fortkommen vieler Jugendlicher in Deutschland massiv erschwert.<br />

Zehn Vorschläge zur Pädagogik gegen Israelhass und Antisemitismus<br />

Aus dieser kurzen Skizze des Hintergrunds von Israelhass und antisemitischen Positionen<br />

lassen sich eine Reihe von Schlussfolgerungen für die Pädagogik ziehen: 60<br />

1. Nicht jeder Ausdruck von Hass oder Ressentiment gegenüber Israel sollte gleich als<br />

Antisemitismus verstanden und behandelt werden. Gelassenheit und gezieltes, auch<br />

Irritationen auslösendes Nachfragen hilft im Zweifelsfall weiter als Skandalisierung.<br />

Es gilt auch hier: Pädagogik soll sich auf die Initiierung und Aufrechterhaltung eines<br />

Dialogs konzentrieren und die Jugendlichen nicht durch Moralisierung und emotionale<br />

Aufladung überwältigen. Nicht um Belehrung geht es – Ausgangspunkt des Dialogs<br />

sind die Meinungen, Kenntnisse und Vorurteile der Jugendlichen selbst. Dabei sollte<br />

die Position des Individuums im Blick behalten und der/die Jugendliche nicht stellvertretend<br />

für eine Gruppe (etwa „der Araber“, „der Palästinenser“ oder „der Muslime“)<br />

angesprochen werden.<br />

Zu Dialog und gezieltem Nachfragen gehört auch, die Erzählungen und Emotionen<br />

von Jugendlichen aufzugreifen und anzuerkennen. Wesentlicher Bestandteil dieses<br />

59 Diese Begriffe werden häufig synonym verwendet (s. Anm. 57).<br />

60 Einige der im Folgenden aufgeführten Punkte sind Bestandteil von Rahmenplänen und allgemeinen<br />

pädagogischen Richtlinien (bspw. das Überwältigungsverbot). Es gilt, diese auch in der Pädagogik<br />

gegen Antisemitismus mit Jugendlichen migrantischer Herkunft umzusetzen. Andere sind bereits Bestandteil<br />

einzelner Handreichungen und Formate der schulischen und außerschulischen Pädagogik<br />

zur Begegnung von Antisemitismus (s. Kasten am Ende des Textes).<br />

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