Weblink...(PDF) - Dr. Stephan Rosiny
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Impulse für eine Neuorientierung der Kooperation mit Eltern<br />
Die Kooperation mit muslimischen Eltern wird von Bildungseinrichtungen nicht nur aufgrund<br />
ihrer Religionszugehörigkeit als Herausforderung und Problem wahrgenommen. Mit ihrem<br />
Migrationshintergrund gehören muslimische Eltern überwiegend einer Bevölkerungsgruppe<br />
an, die durch gesellschaftliche Marginalisierung, den fehlenden Zugang zu ökonomischen<br />
Ressourcen und durch eine unzureichende Schulbildung gekennzeichnet ist. Geleitet von<br />
den PISA - Ergebnissen, dass Schulerfolg entscheidend von der sozialen Herkunft abhängt,<br />
rückt die Kooperation mit diesen Eltern auch unter dem Aspekt der Chancengleichheit zunehmend<br />
in den Blickwinkel des Interesses.<br />
Einen weiteren Impuls, Kooperation mit Eltern neu zu denken, gibt die Weiterentwicklung des<br />
demokratischen Selbstverständnisses von Schule, das sich in der Erweiterung der Entscheidungs-<br />
und Handlungsspielräume der am Bildungs- und Erziehungsprozess Beteiligten<br />
(Schulleitung, Lehrkräfte, Eltern und Schüler/innen) ausdrückt. Soll sich die Schere zwischen<br />
den mit den Anforderungen schulischer Bildung vertrauten und den schuldistanzierten<br />
Schichten nicht noch weiter öffnen, müssen aber Partizipationsangebote gemacht werden,<br />
die auf die Voraussetzungen und Bedingungen der Eltern mit Migrationshintergrund stärker<br />
eingehen. Sonst werden die neuen Mitbestimmungs-, Einfluss- und Informationsmöglichkeiten<br />
vor allem als Vorteil für bildungsorientierte Eltern wirken.<br />
Die Frage nach wirkungsvollen Partizipationsangeboten rückt die Funktion von Schule als<br />
Integrationsagentur in den Blick. Durch Mitwirkung und Mitbestimmung, die Teilnahme an<br />
demokratischen Abstimmungsprozessen, Aushandeln von Interessen, Erfahren der Transparenz<br />
von Entscheidungsprozessen, Übernahme von Verantwortung und Ablegen von Rechenschaft<br />
können Grundprinzipien demokratischen Handelns im Mikrokosmos Schule von<br />
allen Betroffenen unmittelbar praktiziert und erfahren werden. Konkrete Partizipationserfahrungen<br />
sind vor allem für die Eltern wertvoll, deren Sozialisation durch obrigkeitsstaatliche<br />
autoritäre Strukturen bestimmt wurde.<br />
Nach dem Aufschrei an der Rütli-Schule hat die Frage der Vermittlung zivilgesellschaftlicher<br />
Normen und Werte, insbesondere Kindern in sozialen Brennpunkten aus Familien mit Migrationshintergrund,<br />
ein Schlaglicht auf die Sozialisationsbedingungen im Elternhaus geworfen<br />
und der Relevanz der Kooperation mit Eltern Nachdruck verliehen. Es geht darum, mehr<br />
über diese Bedingungen zu erfahren, und Eltern über die deutsche Schule zu informieren,<br />
um schulische und familiäre Erziehungsziele aufeinander abstimmen und ggf. konkrete Unterstützungsangebote<br />
formulieren zu können. Über Kooperationsformen zwischen Elternhaus<br />
und Schule nachzudenken, bedeutet auch, die Rolle der Lehrkräfte in ihrer Funktion als<br />
Repräsentanten der deutschen Schule und als Vermittler demokratischer Grundwerte zu<br />
reflektieren. Solange sich die Kooperation mit Eltern auf formelle Angebote beschränkt (Elternversammlungen,<br />
Elternsprechtag, Gremienarbeit) und Eltern nicht zusätzlich für diese<br />
Aufgaben qualifiziert werden (z.B. durch Kommunikationstraining), verstärkt sich in dem<br />
Kommunikationsgefälle die dominante Rolle der Lehrkräfte. Lehrkräfte, die sich als Lernende<br />
und Partner verstehen und sich in interaktiven kommunikativen Prozessen mit Migranteneltern<br />
austauschen, benötigen über formelle Angebote hinausgehende Formen der Begegnung<br />
und Auseinandersetzung.<br />
Die Eltern mit niedrigschwelligen Angeboten erreichen<br />
Erfolgreiche Kooperationsangebote an Eltern mit Migrationshintergrund und marginalen Erfahrungen<br />
mit schulischer Bildung zeichnen sich vor allem durch ihren niedrigschwelligen<br />
Charakter aus. Sie richten sich an Eltern, die der deutschen Schule mit Misstrauen und Vorbehalten<br />
begegnen, unsicher sind und nicht wissen, wie sie ihre Kinder wirkungsvoll unterstützen<br />
können. Niedrigschwellige Angebote ermöglichen ein auf Vertrauen und gegenseitigem<br />
Respekt begründetes Verhältnis zwischen Elternhaus und Schule. Dieses lässt sich in<br />
der Regel nicht kurzfristig herstellen, sondern entwickelt sich aufgrund vielfältiger Erfahrungen<br />
miteinander in unterschiedlichen Kontexten über längere Zeiträume. Eine durch Vertrau-<br />
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