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2.2 Handlungsfelder und Spielräume im Islam<br />

<strong>Stephan</strong> <strong>Rosiny</strong><br />

Der Islam – ein Problemfall<br />

Der Protestbrief der Gesamtkonferenz der Rütli-Schule vom 28.2.2006 hat den problematischen<br />

Zuständen an vielen deutschen Hauptschulen einen Namen gegeben. Auch Lehrer/innen<br />

anderer Schulen klagen über Aggressivität, Respektlosigkeit, Ignoranz, Störung<br />

des Unterrichts, Lernverweigerung, einen reaktionären Ehrenkodex und Frauendiskriminierung<br />

besonders unter den Kindern von Migranten. Studien belegen ein deutlich höheres Niveau<br />

an Kriminalität, Homophobie und Antisemitismus unter jungen, männlichen Migranten.<br />

Das Kollegium der Rütli-Schule erwähnte in seinem Brief zwar den hohen Anteil arabischund<br />

türkischstämmiger Schülerinnen und Schüler, nannte als Ursachen für die unerträgliche<br />

Lehrsituation jedoch fehlende Lehrer- und Sozialarbeiterstellen, berufliche Perspektivlosigkeit<br />

und fehlende positive Vorbilder für ihre Schüler/innen. Es empfahl, die Hauptschule in<br />

der bestehenden Form zugunsten einer neuen Schulform aufzulösen. Gleichwohl wurden die<br />

Probleme in Berlin-Neukölln in manchen Medien und im öffentlichen Diskurs mit dem Islam<br />

und seinen Defiziten in Verbindung gebracht.<br />

Diese Kulturalisierung des Problems findet im Verhalten mancher Schülerinnen und Schüler<br />

ihre Bestätigung. Sie pöbeln ihre Lehrkräfte als „Ungläubige“ an, von denen sie sich nichts<br />

sagen und beibringen lassen müssten. Sie beschimpfen Mädchen ohne Kopftuch als<br />

„Schlampen“, heißen Ehrenmorde und Terroranschläge im Namen des Islams gut. Sie schelten<br />

deutsche Lehrkräfte „Rassisten“, wenn sie auf einer Einhaltung der Schuldisziplin beharren.<br />

Einige muslimische Eltern sind der Ansicht, koedukativer Schulunterricht und Klassenfahrten,<br />

Sexualkunde- und Schwimmunterricht widersprächen dem Islam und ihre Kinder<br />

könnten deshalb nicht an ihnen teilnehmen. Lehrkräfte (und liberale muslimische Schülerinnen<br />

und Schüler) sind oft sprach- und hilflos, wenn ihnen selbsternannte Schulhofwächter<br />

und ideologisierte Schüler vorschreiben, was „der Islam“ angeblich alles gebiete oder verbiete.<br />

Aber können all diese Beschwerden wirklich über einen Kamm geschoren und mit dem Islam<br />

erklärt werden Oder spielen andere Motive wie Machismo, patriarchalische Familienstrukturen<br />

oder pubertäre Provokation mit hinein Vielleicht schieben die Schüler/innen die religiösen<br />

Parolen nur vor, weil sie ihnen das Gefühl moralischer Überlegenheit geben. Durch den<br />

(vermeintlich) absoluten Wahrheitsanspruch der Religion fühlen sie sich der Lehrerkritik und<br />

den Schulregeln enthoben. Entspringen sie möglicherweise der alltagspraktischen Erfahrung,<br />

dass sich deutsche Lehrer/innen dadurch besonders leicht beeindrucken und provozieren<br />

lassen<br />

Verschärfen politische und sozioökonomische Faktoren wie Diskriminierung, Arbeitslosigkeit,<br />

Bildungsferne der Eltern, Minderheitenstatus und Sprachdefizite das provozierende Verhalten<br />

Der Anteil muslimischer Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund nimmt in<br />

einigen Berliner Stadtvierteln stetig zu. In manchen Schulen bilden sie bereits die Mehrheit.<br />

Viele von ihnen haben Schwierigkeiten, sich in der deutschen Sprache differenziert auszudrücken,<br />

und sie gehören überproportional der sozialen Unterschicht an. Ihr Anteil an Hauptschülern<br />

ist besonders hoch. Häufig stehen sie einer rein deutschstämmigen Lehrerschaft im<br />

wahrsten Sinne des Wortes „gegenüber“, von der sie sich in ethnischer Herkunft und sozialer<br />

Lage, in Wertevorstellungen und Habitus deutlich unterscheiden. Ihre Chancen auf Ausbildungs-<br />

und Arbeitsplätze sind deutlich geringer als die deutscher Schulabgänger. So schaukeln<br />

sich sozioökonomische Marginalisierung und religiös-kulturelle Stigmatisierung gegenseitig<br />

hoch, indem die Ausgrenzung aus der regulären Arbeitswelt und die Absonderung in<br />

sozialen „Parallelgesellschaften“ zunehmend als unveränderbar gesehen werden.<br />

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