Weblink...(PDF) - Dr. Stephan Rosiny
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Konfliktursache Religion<br />
Im einzelnen Konfliktfall zum Beispiel in der Schule sollte versucht werden, zu klären, ob und<br />
welche religiösen und kulturellen Faktoren zu einem bestimmten Verhalten führen, und welche<br />
sozialen, politischen oder wirtschaftlichen Verhältnisse ebenfalls eine Rolle spielen. Eine<br />
solche Ursachenanalyse soll inakzeptable Handlungsweisen nicht rechtfertigen - aber mit<br />
Kenntnis der Hintergründe ist es leichter, eine adäquate Handlungsstrategie zu entwickeln<br />
und eventuell geeignete Ansprechpartner zur Beratung oder Streitschlichtung hinzuzuziehen.<br />
Wird zum Beispiel die Kopftuchträgerin von ihren (nicht nur männlichen) Familienangehörigen<br />
unterdrückt und zum Tragen gezwungen Oder trägt sie den Schleier selbstbewusst und<br />
aus persönlicher Überzeugung, eventuell sogar gegen den Willen ihres säkularen Elternhauses<br />
Verbietet der Islam Mädchen Sport und Schwimmen, oder nutzen die Schülerinnen die<br />
religiöse Begründung nur als Vorwand, weil Lehrer/innen diese eher als Entschuldigung gelten<br />
lassen Entspringen extremistische politische Positionen – die Verteidigung von Terroranschlägen,<br />
Antisemitismus, Frauendiskriminierung – pubertärer Provokation, oder sind sie<br />
als Ausdruck einer gefestigten radikalislamistischen Überzeugung zu bewerten Wollen<br />
Muslime die Lehrer/innen ärgern, wenn sie ihre religiösen Feiertage an unterschiedlichen<br />
Tagen begehen – oder sind konfessionelle und islamrechtliche Unterschiede hierfür verantwortlich<br />
Wenn Lehrer/innen die Differenzen innerhalb der muslimischen Schülerschaft erkennen,<br />
können sie leichter negative Gruppendynamiken aufdecken, etwa die Kontrolle des<br />
Klassenklimas durch eine bestimmte Clique, und möglicherweise gegensteuernde Trendsetter/innen<br />
unterstützen.<br />
Um solche religiös konnotierten Konfliktfälle besser einordnen und ihnen argumentativ begegnen<br />
zu können, lohnt es sich daher, sich mit einigen Grundlagen normativen Handelns im<br />
Islam vertraut zu machen. Im Folgenden (s. Kasten) werden hierzu eine Reihe zentraler<br />
Glaubensinhalte und Praktiken, Denkfiguren, Kontroversen und verschiedener Ausprägungen<br />
beschrieben. Dabei geht es nicht darum, „den Islam” verbindlich und umfassend darzustellen<br />
oder gar einem Religionsverständnis ein anderes „richtigeres“ entgegenzustellen.<br />
Vielmehr sollen einige generelle Einblicke in islamische Lehren und Normen vermittelt werden,<br />
die in sehr unterschiedlicher Art und Weise das religiöse Denken und Handeln heutiger<br />
Muslime beeinflussen.<br />
Grundzüge der islamischen Normativität (Scharī'a und Fiqh)<br />
Im Zentrum der islamischen Theologie steht der Koran, der Muslimen als das unmittelbare,<br />
unerschaffene, ewig gültige Wort Gottes16 gilt. Während das Christentum seinen Wahrheitsanspruch<br />
auf der Person von Jesus Christus und der Menschwerdung Gottes (Inkarnation)<br />
gründet, manifestiert sich Gottes Wahrheit für Muslime unmittelbar im Text des Koran. Der<br />
Prophet Muhammad ist demnach der Überbringer, nicht der Autor dieses heiligen Buches. Er<br />
ist laut Koran „das Siegel der Propheten” und somit der wichtigste und abschließende Gesandte<br />
Gottes, aber „nur ein Mensch” und kein Gottessohn. Muslime beten nicht ihn an,<br />
weshalb ihre Bezeichnung als Mohammedaner falsch ist. Von Muhammads vorbildlicher Lebensweise<br />
(Sunna) berichten die Hadīth-Werke, aphoristische Erzählungen (Hadīth, pl.<br />
Ahādīth) von seinen Aussprüchen und Taten. Der Gläubige fügt sich im Islam (wörtl. Hingabe)<br />
Gottes Wille und seiner Ordnung. Er muss hierzu der Scharī'a folgen (wörtl. „Weg zur<br />
Wassertränke”, d.h. zum Heil).<br />
16 Allāh, der von Muslimen gebrauchte Terminus, ist kein Eigenname, sondern bedeutet übersetzt „der<br />
Gott“ (al-(i)lāh). Auch arabische Christen und Juden „nennen“ ihren Gott Allāh. Muslime im Iran bezeichnen<br />
ihn hingegen auf Persisch als „Khoda“.<br />
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