Weblink...(PDF) - Dr. Stephan Rosiny
Weblink...(PDF) - Dr. Stephan Rosiny
Weblink...(PDF) - Dr. Stephan Rosiny
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Fazit<br />
Es ist wichtig, zwischen unterschiedlichen Bestimmungsfaktoren wie Religion, Kultur, Tradition,<br />
Migration, Politik und Gesellschaft zu unterscheiden, anstatt konfliktförderndes Verhalten<br />
auf den Islam zurückzuführen. Auch lohnt es sich, die kulturelle Bedingtheit eigener Werte zu<br />
reflektieren. Denn Unkenntnis (auf beiden Seiten) ist ein Teil des Problems. Sie verschärft<br />
das Gefühl der Andersartigkeit und verhindert einen vertrauensvollen und lösungsorientierten<br />
Umgang miteinander. Der Umgang mit „islamischen“ Themen sollte von ideologischem Ballast<br />
befreit werden. Statt im Islam nur die negative Gegenfolie zu „unseren“ Werten zu sehen,<br />
sollten Potentiale zu seiner Reformierbarkeit und Modernisierung ausgelotet und die<br />
dialog- und veränderungsbereiten Muslime gefördert werden. Denn eine humanistische<br />
Ethik, persönliches Engagement und Verantwortung für die Gesellschaft, Wissenserwerb<br />
und Achtung vor den Menschen lassen sich allesamt auch islamisch begründen. Fortschrittliche<br />
Muslime leiten aus den islamischen Quellen moderne Werte wie Freiheit und Demokratie,<br />
Gewaltverzicht und Friedenspflicht, Toleranz und Respekt Anders- und Ungläubigen gegenüber,<br />
Meinungsfreiheit, die Religionskritik (aber nicht –beleidigung) einschließt, die Möglichkeit<br />
zu Glaubenswechsel und -abfall und eine Gleichberechtigung der Geschlechter ab.<br />
Vielleicht lassen sich diese Gegenstimmen durch Vorträge, Filme oder Textlektüre in den<br />
Unterricht einbauen. Sie können den besonders lauten Glaubenswächtern das Deutungsmonopol<br />
nehmen und das negative Image des Islams als bloßer Verbots- und Problemreligion<br />
aufbrechen. Für viele Konflikte lassen sich pragmatische Lösungen finden, indem die gemeinsamen<br />
Interessen und Werte betont werden.<br />
Ein wichtiges Bildungsziel muss es sein, die Einsicht zu fördern und zu leben, dass alle Religionen<br />
und Kulturen über eine Ethik verfügen. Die Begründung derselben und der Weg dorthin<br />
mögen sich unterscheiden, doch das Ziel eines guten Miteinanders der Menschen, unabhängig<br />
von Herkunft, Geschlecht, Hautfarbe usw. verbindet sie.<br />
Nichtmuslimische Lehrkräfte sollten islamische Argumentationen ehrlich und aufgeschlossen,<br />
aber nicht kritiklos registrieren. Eine geheuchelte Islamfreundlichkeit oder ein instrumenteller<br />
Einsatz normativer Regeln als Disziplinierungsmaßnahmen werden das Gegenteil des<br />
Erwünschten bewirken. Denn die Schülerinnen und Schüler nehmen sehr sensibel unterschwellige<br />
Botschaften und Ressentiments wahr. Vielmehr kann auch eine nichtmuslimische<br />
Lehrkraft Anerkennung finden, wenn sie glaubwürdiges Interesse am Islam zeigt und den<br />
Schüler/innen ermöglicht, ihre Kompetenzen und ihr besonderes Wissen in den Unterricht<br />
einzubringen. Kinder zu vermeintlichen Experten ihrer Religion und Kultur zu machen, kann<br />
sie aber auch überfordern und ihnen eine Identität zuschreiben, die sie für sich vielleicht so<br />
gar nicht sehen. Stattdessen sollten freiwillige Beiträge positiv aufgenommen werden. Dies<br />
kann die Kinder und Jugendlichen zu einem reflektierten Umgang mit ihrer Religion ermuntern<br />
und ihnen eine selbst bestimmte und reife Entscheidung über ihre Religiosität und Werte<br />
ermöglichen.<br />
Die Befreiung von Fremdzuschreibung und das Recht auf Selbstbestimmung der eigenen<br />
Identität gehören zu den Errungenschaften der Moderne. Wenn junge Muslime diese heute<br />
auch durch Rekurs auf ihre Religion in Anspruch nehmen, so ist dies kein Rückfall ins Mittelalter,<br />
sondern kann eine erfolgreiche Anpassung an die Moderne darstellen.<br />
53