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Die komplette MONITOR-Ausgabe 7-8/2001 können

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Der Fall<br />

„Echelon“:<br />

Betreiben die<br />

USA Wirtschaftsspionage<br />

zum Schaden<br />

Europas?<br />

Christofer Radic<br />

Verschlusssache Wirtschaftsspionage<br />

Spionageromane liest Gerhard Schmid schon<br />

lange nicht mehr. Zum einen, weil ihm als<br />

Vizepräsidenten des Europäischen Parlaments<br />

schlicht die Zeit dazu fehlt. Zum anderen,<br />

weil sich sein persönlicher Spionageroman<br />

seit Juli 2000 bei der täglichen Arbeit abspielt.<br />

Echelon heißt das globale und legendenumwobene<br />

Abhörsystem des US-Geheimdienstes<br />

National Security Agency (NSA) und<br />

seiner Verbündeten Kanada, Großbritannien,<br />

Neuseeland und Australien. 1998 schreckte<br />

es Europa erstmals auf, seit Juli 2000 befasst<br />

sich ein Ausschuss des Europäischen Parlaments<br />

mit der Frage, was außer wilden Spionagefantasien<br />

wirklich hinter Echelon stekkt.<br />

Nach einem knappen Jahr des Sammelns<br />

frei zugänglicher Informationen steht für die<br />

Parlamentarier fest: „Es gibt, auch ohne offizielle<br />

Bestätigung, ein solches globales Abhörsystem.<br />

Interessant ist allein die Frage,<br />

was die USA damit machen“, sagt Gerhard<br />

Schmid, der als Berichterstatter des Ausschusses<br />

fungiert, gegenüber Monitor.<br />

�� Ein Netz aus<br />

120 lauschenden Satelliten<br />

Genaues Hinhören ist sinnlos. Schon lange<br />

knackt es nicht mehr in der Leitung, wenn<br />

sich ein unbefugter Dritter in die Unterhaltung<br />

einklinkt. Während Polizei und Justiz<br />

sich nur in Ausnahmefällen über das Postund<br />

Telefongeheimnis hinwegsetzen dürfen,<br />

tun Geheimdienste das regelmäßig. So gut<br />

wie alles, was in elektronischer Form zwischen<br />

zwei Menschen ausgetauscht wird, läuft<br />

über die Datenfilter der <strong>Die</strong>nste. Der weltweit<br />

bedeutendste <strong>Die</strong>nst dieser Art ist Echelon<br />

- ein 1948 durch den UKUSA-Vertrag<br />

ins Leben gerufenes weltumspannendes Abhörsystem,<br />

von dem bis vor kurzem nicht einmal<br />

der Name bekannt war.<br />

120 Satelliten belauschen den globalen Datenverkehr<br />

und eine der spannenden Fragen<br />

lautet: Benutzen die Echelon-Staaten das<br />

System, um Wirtschaftsspionage zu betreiben?<br />

Denn mittels des Abhörsystems könnten<br />

die Vereinigten Staaten der europäischen<br />

Wirtschaft durch Industriespionage Aufträge<br />

in Milliardenhöhe entrissen haben.<br />

„Trotz aller Verdachtsmomente kennen wir<br />

aber bisher keinen sauber belegten Fall“, sagt<br />

Gerhard Schmid. Das Satelliten-Netzwerk<br />

fängt zurzeit alles auf, was an elektronischen<br />

Botschaften ins All gesendet wird. In Österreich<br />

macht dies allerdings nur noch zirka<br />

zehn Prozent der gesamten Telekommunikation<br />

aus. Dazu überwachen die Geheimdienste<br />

einen Teil der Kommunikation über<br />

Kabel. Und solange Internet-Daten über amerikanische<br />

Knoten, sogenannte Switches, geleitet<br />

werden, kontrollieren die NSA-Spezi-<br />

ECHELON MONISKOP<br />

alisten auch das Web. Im mitteleuropäischen<br />

Raum haben sie jedoch keine große Chance<br />

mehr: „Seit fünf Jahren haben wir einen eigenen<br />

Übergabepunkt in Frankfurt am Main.<br />

75 Prozent der mitteleuropäischen Kommunikation<br />

im Internet laufen hierüber, nicht<br />

über die von den USA kontrollierten Switches“,<br />

relativiert Schmid. Auch das Abhören<br />

von Telefongesprächen gestaltet sich laut<br />

Schmid eher schwierig: Keine Software ist in<br />

der Lage, per Spracherkennung sensible Daten<br />

herauszufiltern. „Deswegen wurden die<br />

Möglichkeiten von Echelon stark überschätzt“,<br />

sagt Schmid. „Man kann einfach<br />

nicht jedes Fax, jede E-Mail und jedes Telefonat<br />

überprüfen.“ Trotzdem bestünden Angriffsflächen:<br />

„Gerade, wenn es um einen<br />

internationalen Großauftrag geht, ist jede Telekommunikation<br />

für das Unternehmen gefährlich.“<br />

�� <strong>Die</strong> Menschen entscheiden,<br />

wie sicher Kommunikation ist<br />

Klar ist: Das Risiko der feindlichen Spionage<br />

besteht, und die europäische Wirtschaft<br />

muss sich darauf einstellen. „Der größte Feind<br />

der Sicherheit ist immer der Aufwand“, klagt<br />

Schmid - allein durch Nachlässigkeit <strong>können</strong><br />

wertvolle Informationen preisgegeben werden.<br />

„Normalerweise werden die für die Konkurrenz<br />

interessanten Informationen nicht<br />

monitor 7-8/<strong>2001</strong> 101

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