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Die komplette MONITOR-Ausgabe 7-8/2001 können

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Meine Freunde, die<br />

Leprechauns, sind eigentlich<br />

keine Leisetreter. Sie<br />

<strong>können</strong> jedoch so schnell<br />

erscheinen, sich auf meiner<br />

Tastatur so plötzlich<br />

materialisieren, dass es<br />

wirkt, als hätten sie die<br />

letzte Stunde dort verbracht.<br />

Und heute waren<br />

die Leprechauns wieder<br />

einmal auf einen Schlag<br />

präsent, so dass mich<br />

Mister Radiants erste Frage<br />

völlig unvorbereitet erwischte.<br />

Abgesehen davon<br />

ärgerte ich mich ein wenig,<br />

dass er, wie es Fabelwesen<br />

oft tun, meine Gedanken<br />

gelesen hatte.<br />

Evan Mahaney<br />

Übersetzt aus dem<br />

Amerikanischen von Reinhard<br />

Gantar<br />

Internet - wohin ?<br />

In seiner unverblümten Art fragte Mister<br />

Radiant: „Wie ist das nun, O Feinschmekker<br />

der Knusperkringel, denkt Ihr, dass das<br />

Internet jemals zu seinem ursprünglichen<br />

Konzept zurückfinden wird?“<br />

Natürlich stellte Mister Radiant damit eine<br />

sehr gescheite Frage. Seit einiger Zeit beklage<br />

ich mich darüber, dass das Internet mit<br />

Haut und Haaren in die Kontrolle der Unternehmen<br />

übergegangen ist - den großen Weltkapitalverband,<br />

wie die Leprechauns das einmal<br />

nannten. Firmeninteressen und -steuerung<br />

mögen nicht nur schlecht sein, aber der<br />

zugehörige Menschenschlag, mit all seinen<br />

profanen Talenten, weiß noch immer nicht<br />

so recht, was er mit dem Internet eigentlich<br />

tun soll. Sie halten den Tiger am Schweif und<br />

wissen nicht, ob sie loslassen oder ob und wie<br />

sie sich weiter vorwagen sollen.<br />

Und so vermisse ich die schrullige kleine<br />

Welt der nicht am Gewinn interessierten Individualisten<br />

rund um den Globus, die einmal<br />

die treibende Kraft hinter dem Internet<br />

waren. Wir schickten einander Nachrichten<br />

- von Europa nach Amerika nach Israel<br />

nach Südafrika nach Neuseeland nach<br />

Brasilien... weltbewegendes stand natürlich<br />

EVAN MAHANEYS LEPRECHAUNS MONISKOP<br />

nicht darin, es war meistens nicht mehr als<br />

„Hallo Neuseeland! Ist das nicht toll? Wir<br />

haben hier herrliches Wetter in den USA.<br />

Wie ist das bei Euch?“ Wir waren ja so eloquent<br />

in den alten Tagen.<br />

Es gab ein halbes Dutzend Gratisprogramme<br />

für E-Mail. Eudora war damals der<br />

Marktführer; wir hatten ja keine Ahnung,<br />

dass die Firma in Verbindung mit Qualcomm<br />

eines Tages ein Wall Street-notierter Markenname<br />

sein würde. Steve Doner, Eudoras<br />

Gründer, beantwortete seine elektronische<br />

Post in jenen unschuldigen Tagen noch persönlich.<br />

Mit Hilfe der Leprechauns schrieb ich eine<br />

Kolumne mit der These, dass das Internet<br />

zu groß, zu individualistisch, zu unabhängig<br />

werden würde, um jemals von der Geschäftswelt<br />

vereinnahmt zu werden.<br />

Frau Donner, eine meiner liebsten Leprechauns,<br />

klopfte mir auf einen Finger und erklärte:<br />

„Seht her, auch wir vermissen manchmal<br />

die Idylle der alten Tage, aber es ist doch<br />

nicht das Ende der Welt...“<br />

Ich stimmte ihr zu. Es ist nicht das Ende<br />

der Welt. Mein Problem ist, dass es gerade<br />

die Mitte ist, und ich lieber genau wüsste,<br />

wie dieses Spiel noch endet. Jetzt, da die Herren<br />

in Schlips und Kragen totale Kontrolle<br />

darüber haben, was wir einst das World Wide<br />

Web nannten - was werden sie damit anstellen?<br />

Ich wandte mich an Mr. Mature, einen<br />

der erfahrensten Leprechauns, und fragte ihn,<br />

ob er mir fünf Firmen nennen könne, die aus<br />

ihrer Web-Präsenz Gewinne lukrierten.<br />

Er lächelte ein wenig - es war ein ironisches<br />

Lächeln - und ich ahnte, dass sich in seinem<br />

Geist eine Spitzbüberei zusammenbraute.<br />

„Well“, brummte er, „es gibt da diese<br />

Pornosites.<br />

<strong>Die</strong> scheffeln Tonnen von Geld.“ Er grinste<br />

und fuhr fort: „Aber ich weiß natürlich<br />

worauf Ihr hinauswollt, O Kenner der böhmischen<br />

Cremegolatschen; die Firmen pumpen<br />

Millionen von Dollars in das Internet -<br />

für nichts. Unsere fröhliche Schar der Leprechauns<br />

haben erst vor kurzem die Zeitungen<br />

und Magazine am Internet durchsucht. Es<br />

waren wirklich viele gute darunter, aber keine<br />

dieser Publikationen arbeitet mit Gewinn.<br />

„<strong>Die</strong> meisten reinen Internet-Zeitschriften<br />

- beispielsweise Salon oder Slate, die keine gedruckte<br />

Fassung bieten - bluten Geld wie ein<br />

torpedierter Walfisch. Salon bekennt sich zu<br />

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