Die komplette MONITOR-Ausgabe 7-8/2001 können
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MONISKOP<br />
per Telekommunikation übertragen. Wer so<br />
unvorsichtig ist und das doch tut, den bestraft<br />
nur das Leben.“ Ein großes deutsches<br />
Forschungsinstitut beispielsweise kommuniziere<br />
unverschlüsselt über E-Mail, dazu<br />
noch über das Wissenschaftsnetz, das auch<br />
über die USA läuft: „Beim Risikobewusstsein<br />
besteht bei uns großer Nachholbedarf.“<br />
Schon kursieren Zahlen über den Schaden<br />
in mehrstelliger Milliardenhöhe, den die europäische<br />
Wirtschaft durch amerikanische Industriespionage<br />
erlitten habe. „Ich habe diese<br />
Zahlen nie verstanden“, sagt Gerhard<br />
Schmid, „sie sind allesamt interessengeleitet.“<br />
Im Klartext: Je größer das Interesse, desto<br />
höher die Zahlen. Klar, dass eine Sicherheitsberatungsfirma<br />
das Risiko als hoch darstellt.<br />
Logisch aber auch, dass sich ausspionierte<br />
Unternehmen kaum an die Öffentlichkeit<br />
wenden.<br />
�� Der Bericht der EU<br />
<strong>Die</strong> EU mag mit ihrem Vorfühlen in Sachen<br />
Echelon in den USA abgeprallt sein, doch ihre<br />
Bemühungen, gegen die Observierung<br />
durch Verbündete vorzugehen, gibt sie nicht<br />
auf. In dem Anfang Juni dieses Jahres veröffentlichten<br />
Bericht des Ausschusses unter<br />
dem Vorsitz von Gerhard Schmid wird klar<br />
gestellt, dass „kein Zweifel besteht, dass ein<br />
weltweites Abhörsystem existiert“. <strong>Die</strong> USA<br />
weigerten sich bisher, die Existenz des Systems<br />
zu bestätigen, erklärten jedoch, dass<br />
amerikanische Regierungsbehörden nicht an<br />
Wirtschaftsspionage beteiligt seien.<br />
Der Bericht forderte Großbritannien als<br />
Mitglied der Europäischen Union auf, seine<br />
Verbindung zu Echelon zu überdenken. Es<br />
hieß, das Land verletze möglicherweise europäische<br />
Menschenrechtsbestimmungen und<br />
Verträge mit den EU-Partnern. Washington<br />
wurde geraten, ein internationales Abkommen<br />
zum Schutz der Privatsphäre der Bürger<br />
zu unterzeichnen. Im September dieses<br />
Jahres verhandelt das Europäische Parlament<br />
erneut über Echelon und mögliche Gegenmaßnahmen.<br />
�� Wie funktioniert Echelon?<br />
Spionage ist eine Kunst im Verborgenen: Gerüchte<br />
und gezielte Falschinformationen sind<br />
im Zusammenhang mit Echelon nur schwer<br />
zu trennen. Was bleibt ist ein Rückgriff auf<br />
„begründete Annahmen“, die auf den wenigen<br />
verfügbaren Fakten beruhen.<br />
Das ist die Aufgabe von Echelon: Das Abhörsystem<br />
wurde errichtet, um Informationen<br />
abzufangen und sie an andere weiterzugeben.<br />
<strong>Die</strong>ser Vorgang vollzieht sich in drei<br />
Schritten: a) <strong>Die</strong> Sammlung aller nur möglicher<br />
Informationen, b) ihre Analyse und die<br />
Suche nach dem entsprechenden Kontext, sowie<br />
c) die Verteilung von Zuständigkeiten.<br />
So sammelt Echelon Daten: Hauptquelle für<br />
Rohinformationen sind elektronische Signale.<br />
<strong>Die</strong>se werden von Radiowellen, in Kupferleitungen<br />
oder mit Glasfaserkabeln transportiert.<br />
�� Das Abhören von Funk<br />
und mobilen Telefongesprächen<br />
Kabel müssen physisch angezapft werden,<br />
drahtlos übertragene Signale <strong>können</strong> dagegen<br />
mit wenigen Ausnahmen „remote“, das<br />
heißt per Fernabfrage, abgehört werden. Im<br />
alltäglichen Einsatz bewegen sich diese Signale<br />
im Bereich zwischen sehr langen Wellen<br />
und Mikrowellen. Jede der Wellenlängen<br />
hat ihre eigene Charakteristik. Mittlerweile<br />
konzentrieren sich der Funkverkehr auf sehr<br />
und ultra hohe Frequenzen. <strong>Die</strong> früher gerne<br />
von Militärs und Geheimdiensten eingesetzten<br />
Kurzwellen sind wegen ihrer niedrigen<br />
Bandbreite und der geringen Abhörsicherheit<br />
aus der Mode gekommen.<br />
Echelon hatte zahlreiche Stationen weltweit,<br />
die Kurzwellen-Übertragungen mitschneiden<br />
und ihren Ursprung genau feststellen<br />
konnten. Mittlerweile gibt es nur noch<br />
wenige der HFDF (High Frequency Direction<br />
Finding) genannten Stationen. Man erkennt<br />
solche Stationen relativ leicht an ihrer<br />
charakteristischen Antenne, die wie ein leerer<br />
Gasometer aussieht und ungefähr dieselbe<br />
Größe hat. Bei sehr hohen Frequenzen<br />
werden Radiosignale nur mehrere hundert<br />
ECHELON<br />
Kilometer übertragen, bevor sie durch die<br />
Erdkrümmung vor Abhörstationen an Land<br />
abgeschirmt werden. Trotzdem <strong>können</strong> sie<br />
aus dem Weltall mitgeschnitten werden. <strong>Die</strong><br />
Satelliten <strong>können</strong> Mobiltelefone direkt abhören<br />
oder die Mikrowellen-Verbindungen,<br />
die eine Basisstation mit dem zentralen Netzwerk<br />
verbinden. Ebenso mitgeschnitten werden<br />
die Signale von Mikrowellen-Netzwerken,<br />
die zahlreiche Staaten noch immer als<br />
Teil ihrer Infrastruktur unterhalten. Obwohl<br />
Mikrowellen sehr genau durch Parabol-Antennen<br />
fokussiert werden <strong>können</strong>, gehen doch<br />
einige wenige Signale als Querschläger in den<br />
Weltraum und werden dort von Satelliten<br />
aufgefangen. <strong>Die</strong>ses Datenleck dürfte eine<br />
der Hauptquellen von Echelon sein.<br />
�� Bodenstationen und Satelliten<br />
Ein großer Teil der Echelon-Ressourcen ist<br />
damit beschäftigt, den Datenverkehr zwischen<br />
dem Intelsat-Netzwerk aus geostationären<br />
Kommunikations-Satelliten mithilfe<br />
von Bodenstationen anzuzapfen.<br />
Darüber hinaus gibt es Hilfs-Stationen nahe<br />
bei den offiziellen Intelsat-Bodenstationen,<br />
die Mikrowellen-Abstrahlung von Upund<br />
Downlinks mitschneiden. Inmarsat, das<br />
maritime Satelliten System, weist Verbindungen<br />
zur amerikanischen Regierung auf.<br />
Es enthält ein eigenes Überwachungs-System.<br />
Auch andere Satelliten, die vorgeblich zivil<br />
genutzt werden, <strong>können</strong> Komponenten tragen,<br />
die mit Echelon, der NSA oder anderen<br />
Geheimdiensten in Verbindung stehen. <strong>Die</strong>se<br />
Praxis ist bereits seit den allerersten Discovery-Satelliten<br />
der USA üblich.<br />
Daten, die die Satelliten gesammelt haben,<br />
werden an Ort und Stelle nicht großartig analysiert,<br />
sondern verschlüsselt und zur Aufgliederung<br />
an das Netzwerk der Echelon-Bodenstationen<br />
geschickt. Jede Basis ist für eine<br />
bestimmte geographische Region zuständig.<br />
Auch am Boden werden Informationen<br />
mitgeschnitten: Vor allem geschieht dies in<br />
Städten, in denen Botschaften, Brennpunkte<br />
örtlicher Mikrowellen-Netzwerke und andere<br />
Orte mit einer hohen Konzentration von<br />
Mikrowellen-Links stationiert sind. Zu diesem<br />
Komplex sind eine Reihe technischer<br />
Details bekannt: Unternehmen wie Applied<br />
Signal Technology bieten Geräte wie das Monitoringgerät<br />
128 TDM Channel Analyser<br />
an, der 12.000 Mobiltelefon-Kanäle gleichzeitig<br />
überwachen kann. Es fällt schwer, sich<br />
einen Kundenkreis für dieses Gerät vorzustellen,<br />
der außerhalb von Geheimdiensten<br />
liegt.<br />
Derweil jedenfalls steht bei Gerhard<br />
Schmid statt des Spionageromans gerade ein<br />
anderes Buch auf dem Schreibtisch: ein Lehrbuch<br />
zur Satellitentechnik. ❏<br />
102 monitor 7-8/<strong>2001</strong>