Content Marketing
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<strong>Content</strong> <strong>Marketing</strong> und die Folgen<br />
handelt es sich um Online-Artikel von Unternehmen,<br />
die im Layout des Mediums daherkommen,<br />
also wie redaktionelle Beiträge aussehen,<br />
aber – so zumindest die Theorie – als<br />
Anzeige gekennzeichnet sind.<br />
Eine weitere Variante: Unternehmen könnten<br />
auf die Idee kommen, angeschlagene<br />
Medien einfach aufzukaufen. Nur ein Horrorszenario?<br />
„In Frankreich zum Beispiel kaufen<br />
Rüstungsunternehmer Zeitungen wie Industrielle<br />
früher Adelstitel“, beobachtet Die Zeit<br />
in einem Artikel mit dem bezeichnenden Titel<br />
„Gekaufter Einfluss“ (Baumann/Jungclaussen/<br />
Lill 2015). Bereits 2004 erwarb der Rüstungsunternehmer<br />
Serge Dassault die zweitgrößte<br />
französische Zeitung Le Figaro und sicherte<br />
sich Anteile an weiteren Titeln. Der Milliardär<br />
Arnaud Lagardère, ebenfalls eine große Nummer<br />
in der Rüstungsindustrie, hat sich die Illustrierte<br />
Paris Match zugelegt und sich zudem<br />
mit einer Minderheitsbeteiligung beim linksliberalen<br />
Flaggschiff Le Monde eingekauft. Die<br />
Finanzzeitung Les Echos befindet sich seit 2007<br />
im Besitz des Luxuskonzerns LVMH. In den USA<br />
hat Amazon-Gründer Jeff Bezos 2013 die Washington<br />
Post übernommen und damit vor dem<br />
Aus bewahrt.<br />
Am eklatantesten ist bisher jedoch der<br />
Fall des Richmond Standard. Die Lokalzeitung<br />
aus der 100.000-Einwohner-Stadt Richmond<br />
unweit von San Francisco musste im Zuge der<br />
Medienkrise schließen. Anfang 2014 feierte<br />
sie jedoch eine Art Wiedergeburt – als reines<br />
Online-Medium und nun im Besitz der Ölgesellschaft<br />
Chevron, die achtzig Kilometer von Richmond<br />
entfernt ihre Zentrale hat. Der Konzern<br />
verkündete, über die Zeitung nicht nur „ein<br />
Licht auf die positiven Dinge, die in der Gemeinde<br />
passieren“, zu werfen, sondern auch<br />
Chevron „eine Stimme in öffentlichen Angelegenheiten<br />
zu verleihen“. Gerade für den zweiten<br />
Zweck nutzt der Konzern ausgiebig seine<br />
Rubrik „Chevron speaks“. Aber auch in anderen<br />
Rubriken hat sich der Richmond Standard<br />
wiederholt publizistisch mächtig ins Zeug gelegt<br />
für ein neues Chevron-Werk in Richmond,<br />
das von Umweltschützern strikt abgelehnt wird<br />
(Edgecliffe-Johnson 2014).<br />
Sich als Unternehmen bei bekannten Medienmarken<br />
einzukaufen, hat den Vorteil, dass<br />
die klassischen Medien immer noch einen gewissen<br />
Glaubwürdigkeitsvorsprung genießen.<br />
Aber auch eigene Kanäle scheinen ihre Vorzüge<br />
zu haben. Hier ein Beispiel, das in wenigen<br />
Jahren schon zur gängigen Praxis in Deutschland<br />
werden könnte: Als im Februar 2014 Satya<br />
Nadella beim Software-Konzern Microsoft das<br />
Ruder von Steve Ballmer übernahm, gab er sein<br />
erstes ausführliches Interview als Vorstandsvorsitzender<br />
nicht – wie üblich – einer großen<br />
Wirtschaftszeitung wie der Financial Times<br />
oder dem Wall Street Journal. Nadella plauderte<br />
vielmehr mit einem Videoblogger aus<br />
dem Hause Microsoft, der wissen wollte, wie<br />
er sich gefühlt habe, als er davon erfuhr, neuer<br />
Vorstandschef zu werden, und warum denn<br />
Microsoft auch in Zukunft erfolgreich sein werde.<br />
Keine einzige kritische Frage – bestes <strong>Content</strong><br />
<strong>Marketing</strong>. Doch die klassischen Me dien<br />
schluckten die Kröte, banden das PR-Video<br />
sogar auf ihren Websites ein und versuchten<br />
jeden vermeintlich bedeutungsschwangeren<br />
Konzerne kaufen<br />
sich renommierte<br />
Medienmarken<br />
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