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Paul Pawlowitsch – eine Skizze - Rotes Antiquariat

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Seite 102 I Januar 2011<br />

Neues Leben.<br />

Anarchistisch-sozialistische Wochenschrift, Berlin 1897-1903<br />

Die Gründung des „Neuen Lebens“ erfolgt nach beinahe zwei Jahren andauernder<br />

Auseinandersetzungen der Gruppe „Centrum“ (Adolf Löhr, <strong>Paul</strong> <strong>Pawlowitsch</strong>, Neft, <strong>Paul</strong><br />

Petersdorf, Julius Müller, Korthals, Diesner u.a.) und den Herausgebern des „Sozialist“<br />

Gustav Landauer, Spohr und Weidner. Löhr und <strong>Pawlowitsch</strong> hatten in dieser Zeit<br />

immer wieder versucht, Einfluss auf den „Sozialist“ zu gewinnen. Die Kritik richtete sich<br />

erst gegen Landauers Propaganda für Produktiv- und Konsumgenossenschaften, dann<br />

gegen finanzielle Misswirtschaft oder <strong>eine</strong> zu lasche Schreibweise, dann wieder gegen<br />

zu intellektuelle Artikel, die der normale Arbeiter nicht verstünde usw.<br />

Zum endgültigen Bruch kommt es, nachdem <strong>Pawlowitsch</strong> und Genossen während<br />

<strong>eine</strong>r kurzen Inhaftierung von Landauer und Spohr (Redakteur und Expedient des<br />

„Sozialist“) Einblick in die Geschäftsbücher, den Spohr hartnäckig verweigert hatte,<br />

erlangen. Die finanzielle Misswirtschaft so vorgeblich bestätigt gefunden, wird Stimmung<br />

gegen die „Sozialist“-Leitung gemacht. Unter dem Vorwand, die Pakete zur Post<br />

zu bringen, erlangt die Gruppe Adressen der „Sozialist“-Abonnenten. Durch das Abschreiben<br />

der Adressen verzögert sich der Versand um <strong>eine</strong>n Tag.<br />

In der folgenden Auseinandersetzung weigern sich Landauer, Spohr und Weidner, die<br />

„Sozialist“-Verantwortlichen, ihre Posten zu räumen und mit den Geschäftsbüchern<br />

das Blatt der vorgeblichen Mehrheit zu übergeben. Der „Sozialist“ berichtet über die<br />

„traurigen Treibereien“, die sofort nach der Neugründung begonnen hätten, und verwahrt<br />

sich gegen ein Wiederaufwachen der ewigen demokratischen Ansprüche.<br />

<strong>Pawlowitsch</strong> verfasst <strong>eine</strong>n Artikel als Antwort auf diese redaktionelle Mitteilung, in der<br />

er das Vorgehen gegen die Leitung des Blattes begründet. Der „Sozialist“ druckt ihn erwartungsgemäß<br />

nicht, so wird er kurz darauf von <strong>Pawlowitsch</strong> als Flugblatt im<br />

Eigenverlag veröffentlicht und an die „Sozialist“-Abonnenten verschickt. Es endet mit<br />

der Aufforderung an die Genossen allerorts, die Gelder für den „Sozialist“ bis auf weiteres<br />

zurückzuhalten.<br />

Wenige Tage darauf beschließt die Gruppe um <strong>Pawlowitsch</strong> die Herausgabe <strong>eine</strong>r<br />

eigenen Zeitung. Kaum <strong>eine</strong> Woche später sind 150 Mark für die erste Nummer beisammen<br />

und ein Name gefunden:„Neues Leben. Anarchistisch-sozialistische Wochenschrift“,<br />

die erste Nummer erscheint am 5. Juni 1897. Von dieser Nummer sollen 4000<br />

Exemplare gedruckt und als Agitationsnummer <strong>–</strong> d.h. umsonst <strong>–</strong> verschickt worden<br />

sein. Einen Monat später soll das Blatt bereits 760 feste Abonnenten haben, doch<br />

finanziell geht es ihm kaum besser als dem „Sozialist“, es steht am Abgrund.<br />

Bereits im September 1897 wird in der Nummer 14 moniert, dass sich in kurzer Zeit so<br />

viele Schuldner angesammelt hätten, dass diese Nummer vielleicht die letzte sei. Unter<br />

beständiger Geldnot erscheint das Blatt weiter, bis es schließlich mit der Nummer 28,<br />

Mitte Dezember 1897, sein Ersch<strong>eine</strong>n einstellt. Der „Sozialist“ erinnert aus diesem<br />

Anlass an <strong>eine</strong> Behauptung des „Neuen Lebens“, die lautete:das „Neue Leben“ habe bewiesen,<br />

dass man ohne <strong>eine</strong>n bezahlten Redakteur auskomme. Mit Häme kommentiert<br />

der „Sozialist“, dies sei wohl nur der Glaube der Herausgeber des „Neuen Lebens“<br />

und mit dem stünden sie wohl allein.<br />

Als im März 1898 das Gerücht umgeht, der „Sozialist“-Drucker Siebenmarck habe sein<br />

Geschäft verkauft und der Nachfolger werde wohl kaum das Blatt weiter drucken, will<br />

man für diesen Fall sofort das „Neue Leben“ wieder herausbringen (die Finanzierung<br />

der ersten Nummer soll gesichert sein). Allerdings war die Nachricht von Siebenmarcks<br />

Aufgabe der Druckerei nur ein Gerücht.

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