Paul Pawlowitsch – eine Skizze - Rotes Antiquariat
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Seite 111<br />
Anarchistica I<br />
verwirklichen wollen. Die Zeit der That wurde abgelöst von der Zeit der Geschäftigkeit<br />
(...) Was Bakunin und s<strong>eine</strong> Zeit vielleicht etwas vernachlässigt haben, das wird an allen<br />
Enden betrieben: es wird gebaut. Es ist notwendig zu bauen, wer wollte es leugnen; es<br />
ist aber nebenbei auch so bequem und so ungefährlich, und bietet so viele Schutzhütten<br />
für die kl<strong>eine</strong>n Verlaufenen, die irgendwo unterkommen müssen. Es wird gebaut,<br />
aber ohne schaffende Lust. Unsere Zeit will nichts davon wissen, dass man gross bauen<br />
muss, und dass die grossen Baumeister auch immer die grossen Zerstörer gewesen<br />
sind“. Durch das Attentat auf den US-Präsidenten McKinley sah sich die Redaktion von<br />
„Neues Leben“ abermals genötigt, ihren Standpunkt zum „individuellen Terror“ darzulegen.<br />
Aber was war passiert? Am 6. September 1901 wurde McKinley durch den polnischen<br />
Immigranten und Anarchisten Leon Czolgosz beim Besuch der Pan-American<br />
Exposition, der Weltausstellung in Buffalo, New York, angeschossen. Etwa 50 Leibwächter<br />
konnten das Attentat nicht verhindern; Czolgosz bedeckte, so die „Geschichtsschreibung“,<br />
die Waffe mit <strong>eine</strong>m weißen Taschentuch und konnte sie so aus der<br />
Deckung ziehen. McKinley erlag s<strong>eine</strong>r Verwundung am 14. September 1901. Czolgosz<br />
soll sich, so wiederum die „Geschichtsschreibung“, durch das Attentat auf Umberto I.<br />
etwa sein Jahr zuvor animiert gefühlt haben, McKinley durch <strong>eine</strong>n Anschlag zu töten.<br />
In der Nr. 37 vom 21. September heisst es dann zum McKinley-Attentat: „Wir sind nun<br />
wieder einmal genötigt, unsere Stellung zu Attentaten klar zu legen. Der Anarchismus,<br />
wir haben es nachgerade oft genug gesagt, als Weltanschauung hat mit Attentaten<br />
genau so viel und genau so wenig gemein, als jede andere politische oder religiöse<br />
Anschauung. Das Attentat ist von Anhängern aller politischen und religiösen Parteien<br />
geübt worden, aber auch regelmässig von den Gegnern dieser Anschauungen für ihre<br />
Zwecke ausgeschlachtet worden (...) Der Anarchismus, der das freieste Ausleben <strong>eine</strong>s<br />
jeden Individuums anerstrebt, ist die Lehre, die dem Morde am feindlichsten gegenübersteht.<br />
Freilich verwerfen wir nicht nur den Mord, der Mann gegen Mann ausgeführt<br />
wird, nein allem und jedem Mord stehen wir gegenüber. Ja, wir stehen nicht an zu<br />
erklären, dass wir den Mord durch das Gesetz, sei es der blutige durch den Henker, oder<br />
der trockene durch das Zuchthaus, noch mehr verwerfen, weil hier die Richter <strong>–</strong> die freilich<br />
nach der Tradition nichts Unrechtes begehen <strong>–</strong> deren Urteil aber im Effekt das gleiche<br />
Resultat wie die That des Mörders hat, nicht das geringste Risiko eingehen. Der gesetzliche<br />
Mord, der Mord durch das Duell, durch den Krieg, der kapitalistische Mord<br />
durch Ausbeutung bis zum Verrecken, der koloniale Mord (<strong>eine</strong> neue Species) und vor<br />
allen die Mörder des freien Gedankens, die Meuchler der Wissenschaft sind diejenigen,<br />
die wir Anarchisten bekämpfen.“ In der Nr. 39 resümiert P.P. (vermutl. <strong>Paul</strong> <strong>Pawlowitsch</strong>)<br />
den SPD-Parteitag von 1901 in Lübeck hinsichtlich der Gewerkschaftsfrage und der<br />
vielerorts anzutreffenden Rücksichtnahmen gegenüber Beschlussfassungen der deutschen<br />
Sozialdemokratie:„Anders bei uns Anarchisten“, so die Feststellung von P.P. ,“wir,<br />
die wir numerisch, es kann getrost ausgesprochen werden, fast kaum in Frage kommen,<br />
sind wohl die Einzigen, die den Beschlüssen rein kritisch gegenüber stehen können.<br />
Wir Anarchisten, die wir trotz aller künstlich konstruierten Gegensätze ebenfalls<br />
Sozialisten sind, stehen der sozialdemokratischen Partei völlig fern, desto näher aber<br />
sehr vielen Sozialdemokraten. Die Anhänger der sozialdemokratischen Partei, trotzdem<br />
die Durchsetzung mit kleinbürgerlichen Elementen sich immer mehr und mehr<br />
verstärkt, sind zum weitaus grössten Teil Arbeiter. Das letztere gilt auch von den Anhängern<br />
des Anarchismus. Nun ist es klar, dass wir als Arbeiter naturgemäss ganz bedeutende<br />
gemeinsame Interessen mit einander haben, die, abgesehen von der politischen<br />
Anschauung der Einzelnen, nur gemeinsam ausgekämpft werden können. Dadurch ergiebt<br />
sich für uns die Aufgabe, die jeweiligen Beschlüsse, so weit sie gewerkschaftliche