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Paul Pawlowitsch – eine Skizze - Rotes Antiquariat

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Seite 126 I Januar 2011<br />

nur das; der „Kompromiss“ mit den breiten Massen ginge zudem zu Lasten des Prinzips.<br />

Und die latente bis offene Aufgabe von Prinzipien stehe eh nicht zur Debatte, da<br />

<strong>eine</strong> „natürlich-r<strong>eine</strong>“ proletarische Bewegung nur „Verrath an der Sache des Proletariats“<br />

üben kann, wenn aus falsch verstandener Rücksichtnahme gegenüber dem mittleren<br />

und Kleinbürgertum das revolutionäre Erscheinungsbild verwässert würde. Rückblickend<br />

heißt es etwas melancholisierend:„Als die Partei noch jung war und nur aus<br />

Proletariern bestand, da wäre <strong>eine</strong> Taktik wie die heutige ganz unmöglich gewesen.“ 3<br />

In dem Schreiben wurde ein klares politisches Votum zur sozialen Revolution abgegeben:„Die<br />

soziale Revolution wird dort entschieden, wo sie zuerst begonnen hat; in den<br />

Industriezentren, wo die Proletarisierung schon seit 40 Jahren mit Riesenschritten vorwärts<br />

schreitet, unbekümmert um die Zustimmung, der für alle Zukunft indifferenten<br />

Landbevölkerung.“ 4<br />

Diese Flugschrift der Berliner oppositionellen Kreise war der Aufhänger, um jene auf<br />

dem Erfurter Parteitag in die Enge zu treiben und vorzuführen. Im unmittelbaren Vorfeld<br />

des Parteitags ließ der Parteivorstand <strong>eine</strong> Broschüre drucken, die die Delegierten<br />

auf die bevorstehende Tagung einstimmen sollte. Die Richtung war klar angezeigt:„Wir<br />

erwarten von den Delegirten, dass sie die Angelegenheit genau prüfen und dann diejenige<br />

Entscheidung treffen, welche die Gerechtigkeit, die Ehre und das Interesse der<br />

Partei erfordern.“ 5 Es lag auf der Hand, dass dieser „Prüfungsvorgang“ auf <strong>eine</strong> offizielle<br />

Exkommunizierung der Berliner Opponenten hinauslaufen sollte <strong>–</strong> was auch geschah.<br />

Noch während der Erfurter Parteitag der SPD lief, leitete die Opposition die Abspaltung<br />

von der „Mutterpartei“ ein. In <strong>eine</strong>r öffentlichkeitswirksamen Versammlung sollte<br />

dieser Schritt verkündet werden. Auf der für den 20. Oktober 1891 einberufenen Volksversammlung<br />

in Berlin wurde <strong>eine</strong> sog. Siebener-Kommission (A. Auerbach, R. Baginski,<br />

P. Ernst, P. Kampffmeyer, Schwabe, W. Werner, B. Wille) gewählt, die die Gründung <strong>eine</strong>r<br />

Vereinigung der aus der Sozialdemokratie ausgeschlossenen und ausgetretenen<br />

Oppositionellen vorbereiten sollte.„Der Antrag“, so D. H. Müller in s<strong>eine</strong>m Standartwerk<br />

zu den „Jungen“ und dem Verein unabhängiger Sozialisten (VUS), „die Kommission um<br />

zehn im gesamten Reich zu wählende Vertrauensmänner zu erweitern, um <strong>eine</strong> ‘revolutionäre<br />

sozialdemokratische Partei’ gründen zu können, wurde abgelehnt“. 6<br />

Auf der konstituierenden Versammlung am 8. November 1891 sollen nach dem Bericht<br />

der Auftaktnummer von „Der Sozialist“ vom 15. November 1891 „700 bis 800 Männer“<br />

teilgenommen haben. Ausdrücklich wird erwähnt, dass Frauen aufgrund des rigiden<br />

Vereinsgesetzes bei politischen Versammlungen nicht zugelassen waren. Damit fand<br />

der „Entfremdungsprozess“ zwischen den „Jungen“ und „alten Parteipatriarchen“ auch<br />

s<strong>eine</strong>n organisatorischen Abschluss. Der VUS zählte etwa 300 Gründungsmitglieder.<br />

In dieser Erstausgabe des „Sozialist“ wird verkündet, dass der Trennungsstrich mit der<br />

Mutterpartei vollzogen wurde: „Nachdem nun die Opposition außerhalb der Parteiorganisation<br />

steht, muß sie die Propaganda für die Ideen des Sozialismus auf eigene<br />

Hand betreiben. Sie wird selbständig und unabhängig operieren“ 7. Und zu dieser organisatorischen<br />

Unabhängigkeit ist ein eigenes Organ notwendig, da in der hiesigen<br />

sozialdemokratischen Presse die eigenen Anschauungen nicht vermittelt werden<br />

3 Ebd. S. 122<br />

4 Ebd. S. 122<br />

5 [SPD-]Vorstand, Die Anschuldigungen der Berliner Opposition. Für den Parteitag zusammengestellt<br />

nach den Berichten des ‘Vorwärts’, Berlin, 1891, S. 4.<br />

6 D.H. Müller, Idealismus und Revolution. Zur Opposition der Jungen gegen den Sozialdemokratischen<br />

Parteivorstand 1890 bis 1894, Berlin, 1975, S. 128-129.<br />

7 Der Sozialist. Organ der unabhängigen Sozialisten, 1. Jg., Nr. 1, 15. November 1891.

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