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Paul Pawlowitsch – eine Skizze - Rotes Antiquariat

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Seite 141<br />

Anarchistica I<br />

„Sozialist“ bleibt, mag kommen was da will, derselbe, der er bisher gewesen ist, ein unversöhnlicher<br />

Feind dessen, was der Freiheit im Wege steht“. In der Nr. 25 vom 20. Juni<br />

1896 erfolgt ein Aufruf von Verlag, Redaktion und Expedition des „Sozialist“, in dem es<br />

neben der Funktion dieses Blatts um die Entwicklung der Auflagenstärke und<br />

Abonnements geht: „Wir rechnen aber nunmehr auch bestimmt darauf, daß unsre<br />

Freunde und Genossen, daß alle Freunde der Wahrheit, Freiheit und Schönheit, daß alle<br />

echten Revolutionäre sich fest und treu um den „Sozialist“ gruppieren und alles, was in<br />

ihren Kräften steht, thun, um uns in unserm schweren, aber auch trotz aller<br />

Widrigkeiten schönen und begeisternden Kampf zu unterstützen. Der „Sozialist“ betrachtet<br />

sich und s<strong>eine</strong> Leser als <strong>eine</strong> Familie, als <strong>eine</strong>n Verein Gleichstre-bender, und<br />

auch den Außenstehenden gegenüber brauchen wir uns nicht scheuen zu sagen, wie es<br />

um uns steht. Unser Blatt erscheint heute, nachdem alle, die nicht zahlen wollen, haben<br />

abgestoßen werden müssen, und nachdem wir jetzt so drucken lassen, daß so gut wie<br />

gar kein Blatt mehr zurückbleibt, in <strong>eine</strong>r Auflage von 3450 Exemplaren“. In der Nr. 33<br />

vom 15. August 1896 wird in dem Aufmacher-Artikel „Unsere Stellung zur<br />

Sozialdemokratie“ der längst fällige Trennungsstrich zwischen Sozialdemokraten und<br />

Anarchisten gezogen. Hintergrund sind die ideologischen Konflikte, die sich beim vierten<br />

Kongress der Zweiten Internationale, der vom 26. Juli bis 1. August 1986 in London<br />

zusammenkam, widerspiegelten: „Nicht neben der Sozialdemokratie, nein gegen die<br />

Sozialdemokratie ist unser Lager aufgeschlagen (...) Die Begriffe, die hinter den Worten<br />

Demokratie und Anarchismus stehen, schlossen sich schon immer aus, aber wir dürfen<br />

und wollen nicht vergessen, daß wir <strong>–</strong> großenteils <strong>–</strong> aus Demokraten zu Anarchisten<br />

geworden sind. Das ist die Ursache, weshalb sich mancher Anarchist neben der<br />

Sozialdemokratie kämpfend wähnte (...) Wir sind Sozialisten <strong>–</strong> jene sind Sozialisten!<br />

Daß ist unbestreitbar; aber was besagt das? Das wir ein Ziel mit ihnen haben? <strong>–</strong> Nein,<br />

nimmermehr. Unser Ziel ist Die Anarchie. Die Anarchie ist das Weitere, das Umfassende.<br />

Der Sozialismus ist das Engere, das in sie Aufgenommene. Die Anarchie gilt für das<br />

ganze Sein und Leben der Menschen; der Sozialismus bezieht sich nur auf die ökonomische<br />

Organisation der Gesellschaft. Er gilt nur für die Produktion der Lebensmittel im<br />

weiteren Sinne. Der Anarchismus steht über dem Sozialismus. Ersterer gestaltet den<br />

letzteren“. In diesem Jahrgang finden wir des weiteren u.a. folgende Beiträge: Eugen<br />

Heinrich Schmitt: Die Religion des Anarchismus. Albert Weidner: Aus der Hexenküche<br />

der Philosophie. Fritz Müller: Versöhnung oder Klassenkampf. Elisee Reclus: Die<br />

Anarchie. Von Zürich bis London. Bericht über die deutsche Arbeiterbewegung an den<br />

Londoner Internationalen Kongress. Johann Most: Zur Geschichte der „Freiheit“ (15-teilige<br />

Artikelserie). Gustav Landauer: Anarchismus und Terrorismus. Der siebte Jahrgang<br />

1897 ist <strong>eine</strong>rseits durch die Finanzkrise des Blatts, vor allem aber durch die Abspaltung<br />

des sog. arbeiteranarchistischen Flügels um <strong>Paul</strong> <strong>Pawlowitsch</strong> und die Zeitungsneugründung<br />

„Neues Leben“ gekennzeichnet. In der Auftaktnummer im neuen<br />

verkl<strong>eine</strong>rten Format vom 6. Februar heisst es schon beinahe resignativ: „Aber wie<br />

schon früher müssen wir auch jetzt wieder an alle Abonnenten und Vertreiber des<br />

Blattes die ernste Mähnung richten, im Bezahlen reell und pünktlich zu sein, um das<br />

Abwachsen von Kontis zu <strong>eine</strong>r Höhe zu vermeiden, die unser Expedient in s<strong>eine</strong>n<br />

Büchern mit schmerzlichem Kopfschütteln von <strong>eine</strong>m Quartal ins andere überzuschreiben<br />

gezwungen ist“. Neben der chronischen Finanzprobleme ist „Der Sozialist“ infolge<br />

der Fraktionierung und Blattneugründung existenziell bedroht: „Gleich nach der<br />

Neugründung des „Sozialist“, also vor nunmehr bald zwei Jahren, bildete sich in Berlin<br />

<strong>eine</strong> Strömung, die gegen den „Sozialist“ und s<strong>eine</strong> Leiter und Mitarbeiter arbeitete.<br />

Diese schleichende Bekämpfung nahm bald diese, bald jene Form an: Bald waren es

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