Paul Pawlowitsch – eine Skizze - Rotes Antiquariat
Paul Pawlowitsch – eine Skizze - Rotes Antiquariat
Paul Pawlowitsch – eine Skizze - Rotes Antiquariat
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Seite 138 I Januar 2011<br />
zung würde nun „fast allgemein“ gewünscht, berichtet die Politische Polizei. Noch<br />
bevor <strong>eine</strong> Korpora diese Frage verhandelt, bemächtigt sich die Gruppe um <strong>Pawlowitsch</strong><br />
auch noch durch <strong>eine</strong>n Trick der Adressen des „Sozialist“, indem sie am 29. April<br />
die versandbereiten Pakete mit der Mai-Nummer des „Sozialist“ aufhält und die Adressen<br />
abschreibt. Die Nummer kommt dadurch verspätet zum Versand. In der darauffolgenden<br />
Auseinandersetzung in <strong>eine</strong>r Korpora am 2. Mai 1897 werden Landauer, Spohr<br />
und Weidner aufgefordert, ihre Posten zu räumen, doch sie erwidern, sie würden nur<br />
der Gewalt weichen. Da sie sich auch fortgesetzt weigern, die Geschäftsbücher zu<br />
übergeben, schreitet die Gruppe um <strong>Pawlowitsch</strong> zur Tat und gründet <strong>eine</strong> eigene<br />
Zeitung:„Neues Leben. Anarchistisch-sozialistische Wochenschrift“. Die erste Nummer<br />
erscheint am 5. Juni 1897. Zuvor versuchte ein Flugblatt von <strong>Pawlowitsch</strong> über die bestehenden<br />
Differenzen aufzuklären und forderte auf, k<strong>eine</strong> Gelder mehr an den<br />
„Sozialist“ zu schicken.<br />
Mit <strong>eine</strong>r ätzenden Notiz wird das „Neue Leben“ vom „Sozialist“ willkommen geheißen:<br />
„‘Neues Leben’ heißt das Blatt, welches s<strong>eine</strong> Schöpfer dazu bestimmen, dem armen,<br />
kranken, korrumpierten, nichts taugenden, zu gelehrten und unerhört schlecht verwalteten<br />
‘Sozialist’ das Lebenslicht auszublasen. Wenn wir die Welt schlecht verständen,<br />
so würden wir sagen: so ein Schund kann nicht leben!“ Die Befürchtungen des<br />
„Sozialist“ sind klar:„Die Gründer des ‘Neuen Lebens’ haben die Hoffnung aufgegeben,<br />
neben dem ‘Sozialist’bestehen zu können, sie wollen daher auf den Trümmern unseres<br />
Blattes ihren Zeitungsbau errichten.“ Finanziell ist bei Landauer und Spohr schon in<br />
den nächsten Monaten „Land unter“ angesagt. Die Auflage geht beständig zurück und<br />
Spohr soll sich schon nach <strong>eine</strong>r anderen Arbeit umsehen, denn er bezieht mit 50 Mark<br />
nur noch die Hälfte s<strong>eine</strong>s früheren Gehalts. Aus Geldmangel ersch<strong>eine</strong>n ab Sommer<br />
1897 Nummern gelegentlich nur vier- anstatt sechsseitig. Anfang November 1897<br />
bleibt Landauer und Spohr nur der radikale Schritt, ihre bezahlten Posten beim „Sozialist“<br />
aufzugeben und die Leitung des Blattes an Albert Weidner zu übergeben, der<br />
auch den „Armen Konrad“ führt. Zu diesem Anlaß veröffentlicht der „Sozialist“ Erklärungen<br />
von allen dreien. Spohr erklärt:„Landauer, Weidner und ich, die bittergeschmähte<br />
‘heilige Dreieinigkeit Jottes’, wir wollten eben nicht, daß der ‘Sozialist’ und der ‘Arme<br />
Konrad’ Händen ausgeliefert würden, die wir nicht für geschickt genug hielten, sie zu<br />
leiten. Seitdem wir jetzt jede Woche ein Konkurrenzblatt vor Augen sehen, haben wir<br />
es schwarz auf weiß, daß wir gut daran thaten.“ Weidner bekräftigt s<strong>eine</strong>n Kampfwillen<br />
nach allen Seiten hin, doch die finanzielle Lage der Blätter sei augenblicklich, dank der<br />
unverantwortlichen Ausbeutung durch bummelig oder gar nicht zahlende Leser und<br />
Kolporteure, <strong>eine</strong> so schlechte, daß ein anderer Ausweg nicht blieb.<br />
Wirtschaftlich geht es mit dem „Sozialist“ trotzdem nicht bergauf. Anfang 1898 sind die<br />
Druckschulden schon wieder so rapide angewachsen, daß sogar Richard Weiß dazu<br />
rät, die Blätter eingehen zu lassen, oder sie den Gegnern (sprich den Anhängern des<br />
„Neuen Leben“, das Ende 1897 selbst eingegangen war) zu überlassen. Weidner will<br />
aber zwecks Kostenreduktion den „Sozialist“ selbst setzen, so daß nur noch Geld für<br />
Papier und Druck aufgebracht werden muß.Trotzdem muß die nächsten Monate immer<br />
wieder Geld zusammengepumpt werden; im Sommer 1898 gibt Benedikt Friedländer<br />
1000 Mark, die den Drucker Siebenmarck, der auf tausenden Mark „Sozialist“-Schulden<br />
sitzt, zeitweise besänftigt. Um die finanziellen Verhältnisse zu ordnen und die Blätter<br />
solange wie möglich zu halten, übernimmt Adolf Grunau, der in letzter Zeit viel Geld in<br />
die Blätter gesteckt hat und überzeugt ist, daß Weidner unordentlich wirtschaftet, die<br />
Kassenführung von Weidner. Gelder sollen nur noch an ihn gesandt werden und Frau<br />
Reinhold soll die ausgehenden Sendungen kontrollieren. Anfang November 1898