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100 Jahre Frauenstudium an der Universität Tübingen

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2. Kapitel: Historischer Überblick<br />

2.1<br />

Die unordentlichen Anfänge des <strong>Frauenstudium</strong>s<br />

<strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>Universität</strong> <strong>Tübingen</strong><br />

von Mel<strong>an</strong>ie Stelly<br />

396 <strong>Jahre</strong> <strong>Universität</strong>sgeschichte vergingen, bevor sich die alma mater eberhardina carolina<br />

tuebingensis erstmals nachweislich mit <strong>der</strong> Frage <strong>der</strong> Zulassung von Frauen zum Studium<br />

zu beschäftigen hatte. Mit einem Brief vom 22. Juli 1873 fragt Alex<strong>an</strong>dra Popowa beim<br />

Tübinger Rektoramt <strong>an</strong>, ob es ihr und zwei weiteren Russinnen möglich sei, ihr in Zürich<br />

begonnenes Medizin-Studium <strong>an</strong> <strong>der</strong> hiesigen <strong>Universität</strong> zu beenden.<br />

Hintergrund dieser Anfrage war <strong>der</strong> Ukas des russischen Zaren vom 4. Juli 1873, <strong>der</strong> alle<br />

russischen Studentinnen unter Androhung des Berufsverbots in Russl<strong>an</strong>d aus Zürich<br />

zurückrief. Es waren viele, die dies betraf: <strong>100</strong> Russinnen studierten damals <strong>an</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Universität</strong> Zürich, womit sie knapp 90 % aller Züricher Studentinnen stellten.<br />

Doch sie hatten keinen guten Ruf. Ihnen wurde ein "unsittlicher" Lebensw<strong>an</strong>del sowie<br />

ungenügende fachliche Grundkenntnisse vorgeworfen, weshalb sie nicht nur die Gegner des<br />

<strong>Frauenstudium</strong>s gegen sich aufbrachten, son<strong>der</strong>n teilweise auch ihre nicht-russischen<br />

Kommilitoninnen. Letztere fürchteten, dass die „ungebildeten“ und „unsittlichen“ Russinnen<br />

einen Vorw<strong>an</strong>d für die Abschaffung des <strong>Frauenstudium</strong>s <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>Universität</strong> Zürich liefern<br />

würden und sahen dadurch ihren eigenen Hochschulzug<strong>an</strong>g gefährdet.<br />

Diese Kritik <strong>an</strong> den russischen Studentinnen <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>Universität</strong> Zürich führte einerseits zu<br />

einer Verschärfung <strong>der</strong> Zulassungsbedingungen für k<strong>an</strong>tonfremde Studieninteressentinnen,<br />

aber auch zu dem oben erwähnten Ukas des russischen Zaren, dessen zusätzliche Ursache<br />

jedoch auch dar<strong>an</strong> gelegen haben könnte, dass <strong>an</strong>geblich nicht wenige <strong>der</strong> russischen<br />

Studentinnen in Zürich sich neben ihrem Studium <strong>der</strong> politischen Arbeit gegen den Zaren<br />

widmeten.<br />

Die <strong>Universität</strong> <strong>Tübingen</strong> reagierte vor diesem Hintergrund auf die Anfrage Popowas ebenso<br />

wenig positiv wie die badischen <strong>Universität</strong>en Freiburg und Heidelberg auf ähnliche Anträge<br />

<strong>an</strong><strong>der</strong>er Russinnen.<br />

Zwar war die Medizinische Fakultät in <strong>Tübingen</strong> bereit, Frauen das Doktordiplom zu geben,<br />

wenn diese das entsprechende Vorwissen nachweisen konnten, doch da eine Zulassung von<br />

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