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100 Jahre Frauenstudium an der Universität Tübingen

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5.2<br />

Der Fall Berghaus – Grundsatzentscheidung <strong>der</strong> <strong>Universität</strong><br />

<strong>Tübingen</strong> gegen das <strong>Frauenstudium</strong> 1876 3<br />

Anfrage von Julius Berghaus vom 15. März 1876 <strong>an</strong> den K<strong>an</strong>zler <strong>der</strong> <strong>Universität</strong><br />

(Aus: <strong>Universität</strong>sarchiv <strong>Tübingen</strong> 119/273)<br />

Nizza den 15ten März 1876<br />

Sr.[Seiner] Hochwohlgeboren, dem kg.[königlichen] Staatsrath, K<strong>an</strong>zler <strong>der</strong> Eberhard-Karls-<br />

<strong>Universität</strong>, Professor Honorasius Herrn Doctor von Rümelin, Ritter hoher Orden.<br />

Hochwohlgeborener Herr,<br />

hochgeehrter Herr Staatsrath!<br />

Euer Hochwohlgeboren wollen mir gütigst die Frage erlauben, ob es Ihrer altehrwürdigen<br />

<strong>Universität</strong> erlaubt sein dürfte, dass ein durchaus sittliches junges Mädchen, unter <strong>der</strong><br />

Aufsicht eines sehr sittenstrengen Vaters, in <strong>Tübingen</strong> Medicin studiren, o<strong>der</strong> wenn nicht<br />

dies, einige Vorlesungen <strong>der</strong> philosophischen o<strong>der</strong> naturwissenschaftlichen Facultät<br />

besuchen, und welches die Bedingungen zum Empf<strong>an</strong>g <strong>der</strong> Matricel o<strong>der</strong> auch zur<br />

außerordentlichen Inscription in diesem Falle wären; ferner ob sich in den Statuten irgend<br />

etwas findet, was die Immatriculation eines alten Akademikers von fünfzig <strong>Jahre</strong>n und<br />

Amerik<strong>an</strong>ischen Bürgers verbietet. - Eine in Amerika geborene Tochter von mir hat den<br />

sehnlichsten Wunsch, wie so viele <strong>der</strong> L<strong>an</strong>dsmänninen sich ihrem Geschlechte als<br />

Hebamme höhern R<strong>an</strong>ges und Kindsärztin zu widmen. Da es jedoch heißt, in Zürich und<br />

<strong>an</strong><strong>der</strong>s wo, sei unter dieser Art Damen <strong>der</strong> Ton nicht gerade sehr streng, so habe ich meine<br />

Augen beson<strong>der</strong>s auf das sittsame <strong>Tübingen</strong> gerichtet. – Daß es nach amerik<strong>an</strong>ischen<br />

Begriffen nicht ungewöhnlich ist, wenn ältere Männer sich fortwährenden, öffentlichen<br />

Studien hingeben, zeigt das rühmliche Beispiel Er.[Eueres] Hochw[ohlgeborenen] Edeln<br />

Vetters in Cincinnati. So würde ich denn selbst meine Tochter in die Collegia begleiten und in<br />

Ruhe und Besonnenheit eines Amerik<strong>an</strong>ers aller Ausschreitungen männlicher Studenten<br />

auszuweichen wissen. – Gleichzeitig bitte ich falls Abdrücke <strong>der</strong> Promotions-Ordnung in <strong>der</strong><br />

philosophischen Fakultät vorh<strong>an</strong>den sind, um gütige unfr<strong>an</strong>cirte Zusendung <strong>der</strong>selben.<br />

Hochachtungsvoll<br />

3 Vgl. dazu Elke Rupp, Der Beginn des <strong>Frauenstudium</strong>s <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>Universität</strong> <strong>Tübingen</strong>, 1978, S. 27f.<br />

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