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100 Jahre Frauenstudium an der Universität Tübingen

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1986 Der Präsident <strong>der</strong> <strong>Universität</strong> <strong>Tübingen</strong>, Adolf<br />

Theis, schlägt dem Senat die Wahl einer<br />

<strong>Universität</strong>sfrauenbeauftragten vor. Die studentischen<br />

Vertreterinnen und Vertreter im Senat<br />

plädieren stattdessen für die Einsetzung einer<br />

paritätisch besetzten Senatskommission, die zunächst<br />

einen Frauenför<strong>der</strong>pl<strong>an</strong> entwerfen soll.<br />

Der Senat beschließt die Einrichtung dieser<br />

Kommission.<br />

1988 Am 15. Juni beschließt <strong>der</strong> Senat den Frauenför<strong>der</strong>pl<strong>an</strong><br />

– allerdings nur für sich selbst als verbindlich.<br />

Für die Fakultäten soll er nur Empfehlungscharakter<br />

haben. Titel des umkämpften<br />

Papiers: „Grundsätze des Senats <strong>der</strong> <strong>Universität</strong><br />

<strong>Tübingen</strong> zur Frauenför<strong>der</strong>ung mit dem Ziel<br />

<strong>der</strong> Beseitigung <strong>der</strong> für Wissenschaftlerinnen<br />

bestehenden Nachteile.“<br />

1989 Im J<strong>an</strong>uar wählt <strong>der</strong> Senat Prof. Dr. Doris<br />

Knab zur ersten Frauenbeauftragten <strong>der</strong> <strong>Universität</strong><br />

<strong>Tübingen</strong>. Das Büro <strong>der</strong> Frauenbeauftragten<br />

wird eingerichtet.<br />

1992 Der erste Evaluationsbericht <strong>der</strong> Senatskommission<br />

für die För<strong>der</strong>ung von Wissenschaftlerinnen<br />

und Studentinnen wird dem Senat vorgelegt.<br />

Die Studentinnen verfassen ein Son<strong>der</strong>votum<br />

zum Beschluss des Senats, <strong>der</strong> die Empfehlungen<br />

<strong>der</strong> Kommission nur in modifizierter<br />

Form verabschiedet.<br />

2001 Die vorletzte Fakultät beschließt einen eigenen<br />

Frauenför<strong>der</strong>pl<strong>an</strong> und folgt damit <strong>der</strong> Empfehlung<br />

des Senats von 1988.<br />

Studentinnen-Arbeitskreis über die Erörterung des<br />

Frauenför<strong>der</strong>pl<strong>an</strong>s in einem Fakultätsrat 1987:<br />

„Die Reaktionen auf die Richtlinie waren sehr unterschiedlich.<br />

Einige Professoren waren sichtlich erregt. Sie meinten,<br />

wenn sie Frauen sehen wollten, gäbe es g<strong>an</strong>z bestimmte<br />

Orte, um sie sich <strong>an</strong>zuschauen. Ein <strong>an</strong><strong>der</strong>er wollte sich<br />

sogleich als Frauenbeauftragter aufstellen lassen, da er sich<br />

nach l<strong>an</strong>gjähriger Ehe beson<strong>der</strong>s dazu geeignet sah. (…)<br />

Nach den ersten unbedachten Äußerungen folgte am<br />

25.11.1987 eine wohlüberlegte Stellungnahme, in <strong>der</strong> die<br />

Fakultät darauf abhebt, in ihren Ordnungen und Richtlinien<br />

seit Jahrzehnten keine Geschlechterdiskriminierung zu<br />

Die Entdeckung <strong>der</strong> L<strong>an</strong>gsamkeit<br />

Studentinnen kämpfen für die Gleichstellung<br />

Das Berufungsspiel<br />

Karikatur von Sepp Buchegger, veröffentlicht<br />

im Schwäbischen Tagblatt vom 20. Mai 1992<br />

„Es ist kein Ruhmesblatt für die deutsche <strong>Universität</strong>sreform,<br />

daß entgegen <strong>der</strong> Fairneß und <strong>der</strong> Vernunft <strong>der</strong><br />

Gleichstellungsprozeß <strong>der</strong> Geschlechter durch Beauftragte<br />

und Kommissionen, letztlich sogar durch Eingriffe des Gesetzgebers<br />

erzwungen werden mußte, obwohl das Gleichberechtigungsgebot<br />

<strong>der</strong> Bundes- und L<strong>an</strong>desverfassungen<br />

mindestens von gleicher Dignität war, wie das Postulat<br />

<strong>der</strong> Freiheit von Forschung und Lehre.“<br />

Dr. h.c. mult. Adolf Theis, Präsident <strong>der</strong> <strong>Universität</strong><br />

<strong>Tübingen</strong> von 1972-1995.<br />

Studentinnen<br />

demonstrieren 1989<br />

vor <strong>der</strong> Neuen Aula<br />

mit dem Slog<strong>an</strong><br />

„Welch ein Grauen,<br />

wo sind <strong>an</strong> <strong>der</strong> Uni<br />

die Frauen?“<br />

kennen. Ihr gehe es nur um die Qualifikation. Und sie lehne<br />

Maßnahmen ab, die auf eine einseitige Bevorzugung eines<br />

Geschlechts abzielten.“<br />

Uni-Frauen-Treff zur Erörterung des Berichts <strong>der</strong><br />

Senatsfrauenkommission im Senat, Mai 1992<br />

„Sol<strong>an</strong>ge die Professoren nicht bereit sind, gleichberechtigt<br />

<strong>an</strong> gesellschaftlich nützlicher Arbeit – z.B. Hausarbeit und<br />

Kin<strong>der</strong>betreuung – teilzunehmen, sollten sie entwe<strong>der</strong> die<br />

Frauenför<strong>der</strong>ung endlich aktiv unterstützen o<strong>der</strong> – im <strong>an</strong><strong>der</strong>en<br />

Falle – besser die Klappe halten!“<br />

Die Politik mischt sich ein<br />

Die Institutionalisierung <strong>der</strong> Gleichstellungspolitik <strong>an</strong><br />

den Hochschulen beg<strong>an</strong>n in Deutschl<strong>an</strong>d Mitte <strong>der</strong> 80er<br />

<strong>Jahre</strong>. Sie wurde - wie schon die Zulassung von Frauen<br />

zum Studium - nicht von <strong>der</strong> <strong>Universität</strong> selbst betrieben,<br />

son<strong>der</strong>n von außen, in diesem Fall durch den<br />

Gesetzgeber, herbeigeführt.<br />

Die Neue Frauenbewegung als Wegbereiterin<br />

Aufgrund des politischen Drucks <strong>der</strong> Neuen Frauenbewegung<br />

und <strong>der</strong> von ihr <strong>an</strong>gestoßenen Diskussion<br />

über Antidiskriminierungsgesetze wurde 1985 ein neuer<br />

§ 2 Abs. 2 in das Hochschulrahmengesetz aufgenommen,<br />

<strong>der</strong> die Hochschulen gesetzlich verpflichtete,<br />

bei <strong>der</strong> Wahrnehmung ihrer Aufgaben auf die „Beseitigung<br />

<strong>der</strong> für Wissenschaftlerinnen und Studentinnen<br />

bestehenden Nachteile“ hinzuwirken.<br />

Reaktion <strong>der</strong> <strong>Universität</strong><br />

Der Senat <strong>der</strong> <strong>Universität</strong> <strong>Tübingen</strong> beschloss daraufhin,<br />

eine Kommission mit <strong>der</strong> Erarbeitung eines<br />

Frauenför<strong>der</strong>pl<strong>an</strong>s zu beauftragen. Im Juni 1987 lag<br />

nach einjähriger intensiver Arbeit ein Entwurf vor, <strong>an</strong><br />

dem Studentinnen maßgeblich mitgearbeitet hatten.<br />

In den nun folgenden heftigen und kontroversen Ausein<strong>an</strong><strong>der</strong>setzungen<br />

um die Verabschiedung beg<strong>an</strong>nen<br />

Studentinnen zu einer treibenden Kraft <strong>der</strong> Institutionalisierung<br />

<strong>der</strong> Gleichstellungspolitik <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>Universität</strong><br />

<strong>Tübingen</strong> zu werden.<br />

Statusgruppenübergreifende Kooperation<br />

Ein Erfolgsfaktor für den Institutionalisierungsprozess<br />

<strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>Universität</strong> <strong>Tübingen</strong> war die statusgruppenübergreifende<br />

Kooperation von Frauen. Prof. Dr. Doris<br />

Knab, die im J<strong>an</strong>uar 1989 vom Senat zur ersten Frauenbeauftragten<br />

<strong>der</strong> <strong>Universität</strong> <strong>Tübingen</strong> gewählt wurde,<br />

schätzte das Engagement und die Arbeit <strong>der</strong> Studentinnen<br />

und war von Anf<strong>an</strong>g <strong>an</strong> bereit, sich mit diplomatischem<br />

Geschick „zwischen die Fronten“ zu stellen.<br />

Auf diese Weise konnten kontinuierlich Erfolge<br />

erzielt werden.<br />

Die Entdeckung <strong>der</strong> L<strong>an</strong>gsamkeit<br />

Der Institutionalisierungsprozess <strong>der</strong> Gleichstellungspolitik<br />

ist seither stetig vor<strong>an</strong>getrieben worden. Verschiedene<br />

Maßnahmen und För<strong>der</strong>programme wurden<br />

entwickelt und etabliert. An den Fakultäten wurden<br />

Frauenbeauftragte und Frauenkommissionen gewählt<br />

und Frauenför<strong>der</strong>pläne beschlossen. Das Büro<br />

<strong>der</strong> Frauenbeauftragten wurde eingerichtet. Es unterstützt<br />

die Arbeit in den Gremien und berät Studentinnen<br />

und Wissenschaftlerinnen. Die Frauen<strong>an</strong>teile auf<br />

den verschiedenen Ebenen <strong>der</strong> akademischen Laufbahn<br />

haben sich – wenn auch l<strong>an</strong>gsam – erhöht. Trotz<br />

dieser Erfolge ist die <strong>Universität</strong> aber nach wie vor weit<br />

von einer tatsächlichen Ch<strong>an</strong>cengleichheit für Männer<br />

und Frauen entfernt. Noch immer gelingt es nur sehr<br />

wenigen Frauen in die Spitzenpositionen <strong>der</strong> Wissenschaft<br />

vorzudringen. Studentinnen mussten in diesen<br />

<strong>Jahre</strong>n immer wie<strong>der</strong> feststellen, dass die „Entdeckung<br />

<strong>der</strong> L<strong>an</strong>gsamkeit“ zu den Haupterfahrungen institutioneller<br />

Politik gehört.<br />

1989 Konstituierung <strong>der</strong> L<strong>an</strong>deskonferenz <strong>der</strong> Frauenbeauftragten <strong>an</strong> den wissenschaftlichen Hochschulen Baden-Württembergs. Als erste L<strong>an</strong>dessprecherin wird Prof. Dr.<br />

Doris Knab aus <strong>Tübingen</strong> gewählt. Ein Jahr später konstituiert sich die Bundeskonferenz <strong>der</strong> Frauenbeauftragten in Trier.<br />

1999 Im 5. EU-Rahmenprogramm zur Forschungsför<strong>der</strong>ung wird die Gleichstellung von Frauen und Männern in <strong>der</strong> Wissenschaft zum Leitprinzip erklärt und in die<br />

Umsetzungsrichtlinien integriert.

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