30.01.2013 Aufrufe

100 Jahre Frauenstudium an der Universität Tübingen

100 Jahre Frauenstudium an der Universität Tübingen

100 Jahre Frauenstudium an der Universität Tübingen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

die noch Abitur machen durften. Ich habe 1937 Abitur gemacht, das war nicht das vorletzte,<br />

son<strong>der</strong>n das drittletzte, 1939 war das letzte Abitur <strong>an</strong> unserer Schule. Wir durften also noch<br />

fertig machen. Alle <strong>an</strong><strong>der</strong>en, die noch in den nie<strong>der</strong>eren Klassen waren, mussten die Schule<br />

gleich wechseln. Das Kollegium musste von einer Stunde zur nächsten o<strong>der</strong> übernächsten in<br />

den <strong>an</strong><strong>der</strong>en Stadtteil. Das war die eine Sache. Die <strong>an</strong><strong>der</strong>e: die Unsicherheit. Wer schickt<br />

denn sein Kind in eine Schule, die aufgeben muss. Denn dass die katholische Kirche den<br />

Nazis nicht gerade freundlich gesinnt war, das war deutlich. Jedenfalls hat das Misstrauen<br />

viele Eltern abgehalten.<br />

Darüber habe ich mich natürlich mit Klassenkameradinnen unterhalten, und gerade mit <strong>der</strong>,<br />

die BDM-Führerin war. Ich habe meine Bedenken o<strong>der</strong> meine Meinung vorgebracht, und sie<br />

sagte: „Gibt es irgendwo eine Regierung, wo alle Leute mit dem einverst<strong>an</strong>den sind, was die<br />

Regierenden machen? Jede Regierung macht ihre Fehler, und was m<strong>an</strong> alles den Nazis<br />

nachsagt, was meinst du, was da auch <strong>an</strong> Gräuel-Propag<strong>an</strong>da dabei ist.“ Also schon vor<br />

dem Krieg. So haben es die Nazis dargestellt: Dass m<strong>an</strong> sie scheel beobachtet, weil sie die<br />

Arbeitslosigkeit weggebracht haben zum großen Teil, und dass sie die Autobahnen gebaut<br />

haben. Jetzt sagte m<strong>an</strong>, das musste je<strong>der</strong> doch wissen, dass das für den Krieg gewesen ist.<br />

Wer hat uns das denn gesagt? Die vielleicht, die BBC gehört haben o<strong>der</strong> sonst jem<strong>an</strong>d. Also<br />

ich jedenfalls habe das vorher nicht gehört, dass die Autobahnen für den Krieg waren. Wir<br />

hatten damals kein Radio. Kurzum, es sind überall Unvollkommenheiten. Und was sie mit<br />

den Juden machten, war das damals schon? Aber ja natürlich, die <strong>an</strong><strong>der</strong>e Schule hatte ja die<br />

Judenkin<strong>der</strong> rausgeworfen. Aber ich wusste bis zuletzt nicht, ich glaube, ich habe es erst,<br />

nachdem ich von Breslau weg war, erfahren, dass wir eine Halbjüdin in <strong>der</strong> Klasse hatten.<br />

Ich weiß nur etwas von meinem M<strong>an</strong>n, wir waren damals nicht verlobt, aber wir k<strong>an</strong>nten uns<br />

schon, und diese Sache hat er mir auch erst nachher erzählt. Er ist 1936 zu seinem Hals-<br />

Nasen-Ohrenarzt geg<strong>an</strong>gen, weil er irgendetwas hatte, und da macht ihm <strong>der</strong> Arzt selber die<br />

Tür auf und sagt zu ihm: „Ach das ist ja nett, dass Sie noch zu mir kommen. Aber wissen<br />

Sie’s nicht: ich darf Sie gar nicht mehr beh<strong>an</strong>deln.“ Er war nämlich Jude. Also: mein M<strong>an</strong>n<br />

wusste nicht, dass <strong>der</strong> Arzt Jude war.<br />

Ich hatte eine Cousine, die war bei einem Juden <strong>an</strong>gestellt und f<strong>an</strong>d es wun<strong>der</strong>bar da als<br />

Dienstmädchen. Die mussten sie entlassen, denn sie durften kein arisches Dienstmädchen<br />

mehr beschäftigen. Und meine Cousine hat erzählt: „Ich hab´s gut gehabt bei denen. Und<br />

eine richtige Kammer zum Schlafen.“ Das war durchaus nicht selbstverständlich, denn es<br />

war ihre Kammer, und da war nichts <strong>an</strong><strong>der</strong>es drin, während m<strong>an</strong> sonst oft Dienstmädchen in<br />

einem Abstellraum untergebracht hat. Also sie war voll des Lobes. „Bloß in einem war sie<br />

(die Hausfrau) ja komisch. Also bei <strong>der</strong> musste m<strong>an</strong> die Tomaten schälen!“ (Ich habe<br />

Tomaten erst kennen gelernt, ich weiß nicht, wie alt ich da gewesen bin, vielleicht 15 o<strong>der</strong><br />

186

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!