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100 Jahre Frauenstudium an der Universität Tübingen

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Aber ich habe mindestens unterbewusst die mögliche Sackgasse wahrgenommen. So wie es<br />

eine Gnade <strong>der</strong> späten Geburt gibt, gab es für Leute etwa meines Jahrg<strong>an</strong>gs die Gnade,<br />

genau in den Aufbruch hinein mit aufbrechen zu können. Da waren die Laufbahnen noch<br />

nicht wie<strong>der</strong> so festgezurrt, wie sie es g<strong>an</strong>z kurz d<strong>an</strong>ach wie<strong>der</strong> waren, und es war noch<br />

nicht wie<strong>der</strong> alles so normalisiert. Zum Beispiel dieser Satz „Meine Frau muss nicht<br />

arbeiten“, <strong>der</strong> hatte noch nicht die gefährliche Ambivalenz, die er heute hat. Kurz d<strong>an</strong>ach hat<br />

es wie<strong>der</strong> <strong>an</strong>gef<strong>an</strong>gen, dass d<strong>an</strong>n für viele auch meiner Altersgruppe <strong>der</strong> Beruf <strong>der</strong><br />

Lebensinhalt geworden ist und wir in <strong>der</strong> Tat nicht geheiratet haben. M<strong>an</strong> erinnert sich d<strong>an</strong>n<br />

<strong>an</strong> die Worte „Du k<strong>an</strong>nst studieren o<strong>der</strong> heiraten“. Das hängt natürlich auch damit<br />

zusammen, dass die Männer, die wir hätten heiraten können, zum guten Teil gar nicht aus<br />

dem Krieg wie<strong>der</strong> nach Hause gekommen waren. Und wir hatten auch ein Maß <strong>an</strong><br />

Selbständigkeit gewonnen, uns sehr genau zu überlegen, wen wir heiraten können. Und bei<br />

denen aus meinem Umfeld, die geheiratet haben, waren das Kollegenehen, wo die<br />

hergebrachte Arbeitsteilung doch in m<strong>an</strong>cherlei Hinsicht durchbrochen o<strong>der</strong> doch gelockert<br />

war. Also die Freundinnen haben sich, was im Schuldienst ja ging, für ein paar <strong>Jahre</strong><br />

beurlauben lassen, aber sie sind d<strong>an</strong>n wie<strong>der</strong> eingestiegen. Das war für ihre Männer<br />

überhaupt kein Problem. Also insofern ist das wohl auch ein bisschen gruppenspezifisch,<br />

und es ist auch gruppenspezifisch, dass eben Männer in Schlüsselpositionen damals auch<br />

tüchtige junge Frauen wahrgenommen haben und Verwendung für sie hatten, zwar, wie m<strong>an</strong><br />

sieht, nicht gerade <strong>an</strong> <strong>der</strong> Uni, aber <strong>an</strong> <strong>an</strong><strong>der</strong>er Stelle. Und im Schuldienst gab es auch noch<br />

sehr viele Schulleiterinnen, was ja auch damit zusammenhing, dass es noch sehr viele<br />

Mädchenschulen gab. Auch da gab es also Möglichkeiten.<br />

Diese aufmerksamen Männer kamen erstens zum Teil aus <strong>der</strong> Jugendbewegung, wo ja die<br />

Geschlechterverhältnisse auch schon etwas verän<strong>der</strong>t waren, und zweitens hat m<strong>an</strong>, ehe<br />

alle Berufslaufbahnen wie<strong>der</strong> so fest gezurrt waren, einfach viel stärker unorthodoxe<br />

Lösungen gesucht und hat deswegen einfach die Leute, die halt gerade vor einem st<strong>an</strong>den,<br />

<strong>an</strong>geguckt. Und da waren d<strong>an</strong>n eben auch Frauen da. Also mindestens in meinem Umfeld.<br />

Ich k<strong>an</strong>n ja von <strong>an</strong><strong>der</strong>en beruflichen Fel<strong>der</strong>n nichts aus eigener Erfahrung sagen.<br />

Es hat einen sehr bedeutenden rom<strong>an</strong>istischen Sprachforscher gegeben, Gamillscheg, <strong>der</strong><br />

hat, vermutlich g<strong>an</strong>z ohne böse Absicht, mit Vorliebe Studentinnen <strong>an</strong>zügliche Vokabeln mit<br />

Mehrfachbedeutungen abgefragt. Wenn eine <strong>der</strong> Bedeutungen also nicht so g<strong>an</strong>z für<br />

Pfarrerstöchter war. So zum Beispiel beim fr<strong>an</strong>zösischen „la grue“, das ist sowohl <strong>der</strong><br />

Kr<strong>an</strong>ich, als auch <strong>der</strong> Baukr<strong>an</strong>, als auch das, was heute Bordsteinschwalbe heißt. Es gibt<br />

mehrere solche Wörter, die hat er gerne benutzt. O<strong>der</strong> <strong>der</strong> Altgerm<strong>an</strong>ist Schnei<strong>der</strong> hat für<br />

eine doch zu einem hohen Prozentsatz weibliche Zuhörerschaft genüsslich ausgebreitet, wie<br />

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