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100 Jahre Frauenstudium an der Universität Tübingen

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übers Heiraten noch keine Ged<strong>an</strong>ken gemacht, nur dass das eine Alternative sein sollte, das<br />

war jenseits meiner Vorstellungswelt.<br />

Meine Eltern haben das genauso gesehen. Für meine Eltern war es selbstverständlich, dass<br />

ich g<strong>an</strong>z ohne ihre gütige Mitwirkung in <strong>der</strong> Schule gut bin. Und es wurde auch keinerlei<br />

Druck ausgeübt. Mein Vater sagte: „Meine Tochter hat doch keine Schwierigkeiten in <strong>der</strong><br />

Schule.“ Genauso fern ist mir damals aber auch irgendeine Art von Berufskalkül gelegen. Es<br />

musste also irgendwie weitergehen, und wie das Studium zu fin<strong>an</strong>zieren war, das st<strong>an</strong>d<br />

überhaupt in den Sternen. Und das ist d<strong>an</strong>n ziemlich abenteuerlich geg<strong>an</strong>gen.<br />

Damals war ja im allgemeinen Elend die Schule was g<strong>an</strong>z Herrliches. Die Schule hat einem<br />

die Welt eröffnet. Außerdem hatten wir in Tuttlingen zum Teil g<strong>an</strong>z hervorragende Lehrer, die<br />

im Dritten Reich dahin strafversetzt worden waren und die d<strong>an</strong>n nach und nach aus dem<br />

Krieg zurückgekommen sind. Feste Lehrpläne, die gab es ja auch erst im Lauf <strong>der</strong> Zeit, und<br />

Schulbücher waren auch nicht vorh<strong>an</strong>den, das heißt Schule wurde gehalten aus den<br />

Bücherschränken <strong>der</strong> Lehrer und <strong>der</strong> Verw<strong>an</strong>dten und Freunde <strong>der</strong> Lehrer, und das war<br />

einfach aufregend. Da hat m<strong>an</strong> Bücher lesen können, von denen m<strong>an</strong> vorher nie gehört<br />

hatte. Und auch in Frieden in die Schule gehen zu können, es fallen keine Bomben mehr,<br />

m<strong>an</strong> muss nachts nicht raus. Dass m<strong>an</strong> gefroren hat, dass m<strong>an</strong> Hunger hatte das war... Na<br />

gut, wir waren jung und vergnügt und wir haben Theater gespielt und Lesezirkel gegründet<br />

und gesungen im Chor und musiziert und, und, und. Unsere Nachmittage und Abende waren<br />

ausgefüllt noch und nöcher.<br />

Die Freundschaften, die damals geknüpft worden sind, das waren Freundschaften unter<br />

solchen, die es <strong>an</strong> diese vom Krieg verschonten Orte verschlagen hat. Die halten bis zum<br />

heutigen Tag. Da kamen d<strong>an</strong>n eben Flüchtlinge aus Schlesien zu ihren dort lebenden<br />

Verw<strong>an</strong>dten. Mitten im Winter kam da ein Geschwisterpaar aus Breslau, <strong>der</strong>en Mutter und<br />

Großmutter in Breslau drin waren und die Besetzung durch Polen und Russen miterleben<br />

mussten und erst viel später rausgekommen sind. Und wir haben uns natürlich<br />

zusammenget<strong>an</strong>. Erstens waren wir die, die nichts hatten, und zweitens waren wir die, die<br />

m<strong>an</strong> auch auslachen konnte, denn wenn wir eine Sirene gehört haben, da sind wir ger<strong>an</strong>nt,<br />

in den nächsten Keller. Und das konnten diese Tuttlinger überhaupt nicht verstehen, denn da<br />

war nie eine Bombe gefallen.<br />

Mit den Flüchtlingen haben wir das bisschen, was wir hatten, eben ausgetauscht. Ein Teller<br />

gegen ein Messer. Wir hatten einen Erfahrungshintergrund, vor dem wir uns verständigen<br />

konnten, und für die <strong>an</strong><strong>der</strong>en waren wir ja unerwünschte Zuzügler, die Raum und Nahrung<br />

be<strong>an</strong>sprucht haben, was beides knapp und knapper wurde. Das hat sich in <strong>der</strong> Schule<br />

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