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100 Jahre Frauenstudium an der Universität Tübingen

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Popularisierung <strong>der</strong> Rassenkunde und Rassenhygiene bei und beeinflusste auch NS-<br />

Parteigrößen. Er war <strong>der</strong> erste nationalsozialistische Wissenschaftler, für den 1930 ein<br />

Lehrstuhl (<strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>Universität</strong> Jena) eingerichtet wurde. Als Mitglied des einflussreichen<br />

„Sachverständigenbeirats für Bevölkerungs- und Rassepolitik“ des Reichsinnenministeriums<br />

war er im „Dritten Reich“ wesentlich <strong>an</strong> <strong>der</strong> Ausgestaltung des „Gesetzes zur Verhütung<br />

erbkr<strong>an</strong>ken Nachwuchses“ beteiligt und befürwortete die zw<strong>an</strong>gsweise Sterilisierung von den<br />

Besatzungskin<strong>der</strong>n im Rheinl<strong>an</strong>d („Rheinl<strong>an</strong>dbastarde“). Zudem betätigte er sich als<br />

„rassenkundlicher Gutachter“ im besetzten Polen. 104 Für Ehrhardt bedeutete <strong>der</strong> Wechsel<br />

von München nach Berlin auch eine Hinwendung zur kulturwissenschaftlich-soziologischen<br />

Rassenkunde von Günther und eine (vorläufige) Abwendung von <strong>der</strong> vorwiegend<br />

„messenden“, physischen Anthropologie von Theodor Mollison. 105 Sie verrichtete für Günther<br />

vor allem Hilfsarbeiten und assistierte bei seinen Forschungen und Lehrver<strong>an</strong>staltungen. In<br />

dieser Zeit sind von Ehrhardt kaum Originalarbeiten erschienen, sie zehrte vielmehr noch<br />

von den bereits durchgeführten Forschungen. Anscheinend pl<strong>an</strong>te sie eine „große<br />

bevölkerungs- und rassenkundliche Untersuchung“ in Estl<strong>an</strong>d und Lettl<strong>an</strong>d, die <strong>an</strong>geblich<br />

wegen <strong>der</strong> dortigen politischen Verhältnisse nicht durchgeführt werden konnte. 106<br />

Seit 1937 versuchte Günther von Berlin wegzukommen und sein Institut ins „ruhigere“<br />

Freiburg zu verlegen. Ehrhardt suchte sich ein neue Anstellung, weil das Institut verkleinert<br />

werden sollte und damit wahrscheinlich auch ihre Stelle weggefallen wäre. Zum 1. Oktober<br />

1938 beg<strong>an</strong>n sie als wissenschaftliche Angestellte bei <strong>der</strong> „Rassenhygienischen und<br />

bevölkerungspolitischen Forschungsstelle des Reichsgesundheitsamts“ in Berlin. Hier war<br />

Sophie Ehrhardt bis 1942 als Mitarbeiterin des berüchtigten „Zigeunerforschers“ Robert<br />

Ritter 107 <strong>an</strong> den <strong>an</strong>thropologischen Untersuchungen von Zehntausenden deutschen<br />

„Zigeunern“, vor allem Sinti, beteiligt. Die meisten von ihnen wurden, auch aufgrund <strong>der</strong> von<br />

Ritter und seiner Forschungsstelle vorgenommenen Einteilung in verschiedene Gruppen von<br />

„Zigeunern“ und „Zigeunermischlingen“, deportiert und ermordet. 108 Eigenständig erfasste sie<br />

104<br />

Elvira WEISENBURGER (1997): Der „Rassepapst“. H<strong>an</strong>s Friedrich Karl Günther, Professor für<br />

Rassenkunde, in: Michael KIßENER / Joachim SCHOLTYSECK (1997) Hg.: Die Führer <strong>der</strong> Provinz. NS-<br />

Biographien aus Baden und Württemberg, Konst<strong>an</strong>z, S. 161-199.<br />

105<br />

Zur Geschichte <strong>der</strong> „Biologischen Anthropologie“: Uwe HOßFELD (2003): Geschichte <strong>der</strong><br />

Biologischen Anthropologie in Deutschl<strong>an</strong>d: von den Anfängen bis zur Nachkriegszeit, Stuttgart.<br />

106<br />

Sophie Ehrhardt: Lebenslauf [verfasst 1957, <strong>an</strong>lässlich <strong>der</strong> Ernennung zur außerpl<strong>an</strong>mässigen<br />

Professorin] (<strong>Universität</strong>sarchiv <strong>Tübingen</strong>: 126a/92a)<br />

107<br />

Zu Biographie Ritters: Anka OESTERLE (1998): Verwischte Spuren – Robert Ritter. Eine<br />

biographische Rückblende, in: HÄGELE (1998), S. 34-74.<br />

108<br />

Zur „Zigeunerpolitik“ und „Zigeunerforschung“ im „Dritten Reich“ siehe beispielsweise: Joachim S.<br />

HOHMANN (1991): Robert Ritter und die Erben <strong>der</strong> Kriminalbiologie. „Zigeunerforschung“ im<br />

Nationalsozialismus und in Westdeutschl<strong>an</strong>d im Zeichen des Rassismus. Wolfg<strong>an</strong>g AYAß (1995):<br />

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