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100 Jahre Frauenstudium an der Universität Tübingen

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Proseminare geleitet in ihren Fächern. Und in Geschichte zum Beispiel gab es einen, <strong>der</strong><br />

hat einen gefragt, warum m<strong>an</strong> dieses Buch jetzt wolle. Vor allem, wenn es eine Fernleihe<br />

war, o<strong>der</strong> wenn m<strong>an</strong> eine etwas schwierigere Recherche hatte und ihn deswegen gefragt<br />

hat. Und <strong>der</strong> hat da eine sehr sachliche Begründung gewollt. Das war sehr wichtig. Das war<br />

eine indirekte Studienberatung, <strong>der</strong>en Wert ich erst nach vielen <strong>Jahre</strong>n voll ermessen<br />

konnte. Der hat einen d<strong>an</strong>n auch durch seine Fragerei auf m<strong>an</strong>ches gebracht.<br />

Das Studium hat mich in je<strong>der</strong> Hinsicht verselbständigt. Die Verselbständigung hat schon in<br />

<strong>der</strong> Schule <strong>an</strong>gef<strong>an</strong>gen, als ich d<strong>an</strong>n später g<strong>an</strong>z allein noch bei <strong>der</strong> T<strong>an</strong>te in Tuttlingen<br />

leben musste, wo ich übrigens auch auf eine ziemlich abenteuerliche Weise eine zeitl<strong>an</strong>g<br />

unerlaubt gelebt habe - ohne Zuzugsgenehmigung. Also das hat da schon <strong>an</strong>gef<strong>an</strong>gen. Aber<br />

im Studium war m<strong>an</strong> wirklich auf sich selbst gestellt. Studenten, die im Hotel Mama gewohnt<br />

haben, hat es so gut wie nicht gegeben. Das hat für Alltagsdinge gegolten und das hat auch<br />

für die geistige Verselbständigung durch Ausein<strong>an</strong><strong>der</strong>setzung mit Wissenschaft gegolten.<br />

M<strong>an</strong> hat sehr früh gelernt, auf eigenen Füßen zu stehen und eben durch diese Nötigung<br />

Entscheidungen zu reflektieren und zu begründen, g<strong>an</strong>z gleich, ob das jetzt eine<br />

Argumentation in einer Seminararbeit war o<strong>der</strong> die Semester für Semester <strong>an</strong>stehende Wahl<br />

<strong>der</strong> Ver<strong>an</strong>staltung o<strong>der</strong> hinterher die Vorstellung, was das mal beruflich werden sollte o<strong>der</strong><br />

wie m<strong>an</strong> leben möchte. Das war ungeheuer prägend. Ich möchte gern wissen, ob das heute<br />

noch so prägend ist für Studierende.<br />

Bewusst geworden ist mir das alles allerdings erst sehr viel später. Auch gar nicht zu Anf<strong>an</strong>g<br />

meiner Berufstätigkeit, son<strong>der</strong>n erst so in mittlerem Lebensalter. Und da d<strong>an</strong>n auch erst, als<br />

ich <strong>an</strong>gef<strong>an</strong>gen habe, auch wissenschaftlich über Mädchenbildung, über<br />

Geschlechterverhältnisse und Pädagogik zu arbeiten. Da habe ich auch <strong>an</strong>h<strong>an</strong>d meiner<br />

eigenen Biographie überhaupt erst <strong>an</strong>gef<strong>an</strong>gen, mir zu überlegen, was das für mich für eine<br />

Rolle gespielt hat. Und da ist es mir immer deutlicher geworden. Am Anf<strong>an</strong>g haben wir ja nur<br />

diese Empfindung gehabt, dass das Studium ein Privileg ist. Aber in wie vielfältiger Weise<br />

uns diese Studienjahre verselbständigt haben, das ist mir erst sehr viel später aufgeg<strong>an</strong>gen.<br />

Bestimmte Lehrver<strong>an</strong>staltungen und Dozenten habe ich völlig vergessen und <strong>an</strong> m<strong>an</strong>che<br />

erinnere ich mich nur, wenn zufällig ein Name fällt. Und <strong>an</strong><strong>der</strong>e haben uns schon durch die<br />

Art, wie sie als Menschen Wissenschaft verkörpert haben, geprägt. Also zum Beispiel so<br />

eine Gestalt wie <strong>der</strong> Althistoriker Vogt, <strong>der</strong> so geschliffen formuliert hat, <strong>der</strong> haargenau nach<br />

45 Minuten mit einer prägn<strong>an</strong>ten Sequenz schließen konnte. O<strong>der</strong> mein späterer<br />

Doktorvater, Hugo Kuhn, <strong>der</strong> immer glänzend vorbereitet war, aber <strong>der</strong> die Vorlesung auch<br />

zur Klärung seiner eigenen Ged<strong>an</strong>ken und Forschungsperspektive benützt hat und bei dem<br />

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