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Die zahlreichen Kundgebungen katholischer Oberhirten knüpften an die
Verlautbarungen gegen den Rechts-, aber vor allem gegen den Linksextremismus
in der Weimarer Republik an und verwarfen aus pastoraler Sorge die
politische Materialisierung der religiösen Heilslehre, die nach ihrer Ansicht
in beiden Weltanschauungen zum Ausdruck kam und in dem politisch erstarkenden
Nationalsozialismus zu einer ernsthaften Bedrohung für den Bestand
der katholischen Kirche wurde. Ihre gemeinsame Wurzel hatten die extremen
Ideologien auf der politischen Linken wie auf der Rechten nach Auffassung
der katholischen Oberhirten in der Krise des christlichen Jenseitsglaubens,
die seit der Aufklärung herrsche und nur durch eine konsequente Verchristlichung
der modernen westeuropäischen Gesellschaften aufgehalten werden
könne. Was unter der Materialisierung der christlichen Heilslehre zu verstehen
war, beschrieb der ehemalige Reichskanzler Marx auf einer Zentrumsversammlung
in Lohne am 10. Mai 1931, als er sich gegen den nationalsozialistischen
Totalitarismus mit den Worten abgrenzte:
"Dem Grundsatz des Zentrums bezgl. Staat, Kirche und Elternschaft stehen die Nationalsozialisten
schroff gegenüber: Der Staat ist Gott, ihm ist alles unterworfen. Der
Staat ist alles. Nur eine deutsche Kirche ohne römischen Einschlag wird anerkannt.
Das Christentum der Nationalsozialisten ist niemals das Christentum Christi." 321
Das in der NS-Bewegung verabsolutierte und damit pervertierte Nationalstaatsprinzip
war unvereinbar mit der Universalität der römisch-katholischen
Weltkirche und wurde in der völkisch-rassistischen Ideologie des Nationalsozialismus
in den Rang einer politischen Ersatzreligion gehoben, die die Inhalte
der katholischen Glaubens- und Sittenlehre diskreditierte. Die Oberhirten
bekannten sich hingegen zu einer nationalen Grundhaltung und zu
einem parteiunabhängigen autoritären Staatsbegriff, der gerade in Zeiten der
wirtschaftlichen und politischen Krise eine Antwort auf den moralischen
Niedergang des deutschen Volkes sein sollte und von der katholischen Kirche
mitgetragen wurde. In der Kundgebung der katholischen Bischöfe der
Kölner Kirchenprovinz heißt es dazu:
"Wahre Liebe zu Volk und Vaterland fordert weiter, daß wir ehrlich und einmütig über
alle Gegensätze von Stand und Klasse, Konfession und Partei hinweg uns bemühen,
die Wurzeln des Elends unserer Zeiten aufzufinden und ohne unfruchtbare Polemik
nach entsprechender Besserung in unserer Lebens=, Gesellschafts= und Wirtschaftsordung
zu streben." 322
321 OV vom 11.5.1931.
322 LV vom 11.3.1931; OV vom 16.5.1931; DENZLER, Kirchen 2, S. 31-35.