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der Rede Brünings unterlegen. Der Ausgangspunkt für die Haltung von Kaas,
die in der Zentrumsfraktion schließlich den Ausschlag gab, ist in der katholischen
Staatslehre zu sehen, die "den Einsatz für eine bestehende Verfassung so
lange unbedingt gebietet, wie die Rechtskontinuität der staatlichen Gesetze
nicht durch revolutionäre Ereignisse zerbricht". Für den anderen Fall, daß die
Rechtskontinuität zerbrochen war, galt umgekehrt ebenso: "Ist das aber durch
andere geschehen, dann muß der Katholik versuchen, die neue Ordnung stabilisieren
zu helfen." Diese Interpretation, die nach der Reichstagswahl vom 5.
März 1933 von der Zentrumspresse aufgegriffen wurde, sah das Ermächtigungsgesetz
"nicht als verfassungsbeseitigendes, sondern als Ordnung schaffendes
und die revolutionären Verhältnisse beruhigendes Gesetz" an. Außerdem
berührte das Ermächtigungsgesetz weder die naturrechtliche Basis der
katholischen Staatslehre noch das christliche Sittengesetz, denn für einen Katholiken
war mit der Aufhebung der bürgerlichen Freiheiten und Grundrechte
und der Preisgabe der Gewaltenteilung, also mit der Errichtung einer Diktatur,
das göttliche Naturrecht nicht schlechthin und solange nicht verletzt, "wie die
Interessen von Religion und Kirche nicht eklatant angetastet" wurden. 435 Von
diesem Grundsatz ging Kaas offensichtlich aus, weil zur Annahme des Gegenteils
kein ausreichender Grund vorhanden schien. So trug paradoxerweise die
Annahme des Ermächtigungsgesetzes zur ‘Konstitutionalisierung’ der nationalsozialistischen
Revolution und zur politischen Konsolidierung des nachrevolutionären
Zustandes bei. In der Revolution von 1918/19, die ebenfalls "durch
andere" ausgelöst worden war, hatte sich das Zentrum nicht anders verhalten.
Es stellte sich auf die neue politische Ordnung ein und anerkannte sie, sobald
sie sich etabliert hatte. Am 23. März 1933 nahm die Zentrumsfraktion die Entscheidung
von 1918 in eigener Verantwortung zurück.
Die Zustimmung der Zentrumsfraktion zum Ermächtigungsgesetz bedeutete die
Kapitulation des politischen Katholizismus in Deutschland vor dem NS-
Regime. Ihr Vollzug war nur noch eine Frage der Zeit. Hitlers politische Suggestivkraft
und der Sog der nationalen Bewegung, der Druck der Straße und die
Angst vor dem Kommunismus verfehlten ihre Wirkung in der katholischen
Öffentlichkeit nicht. Sie stellten eine politische Symbiose von nationaler und
christlicher Staatsidee in Aussicht, zu der der säkulare und religiös indifferente
Weimarer Parteienstaat nicht in der Lage gewesen war. Das Eintreten für
Brünings Haltung hätte außerordentliche persönliche Konsequenzen verlangt,
opportuner - nicht leichter - erschien in diesem Augenblick die Zustimmung.
435 JUNKER, Zentrumspartei, S. 188f.