Das Jahrbuch der Sozialdemokratischen Partei 2007 und 2008 - SPD
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konnten. Dabei hat die Blue Card einen dreifachen<br />
Nutzen: Erstens können die Firmen<br />
mittelfristig einen Teil ihres Bedarfs an Fachkräften<br />
decken <strong>und</strong> von neuem internationalen<br />
Know-How profitieren, wobei je<strong>der</strong><br />
Mitgliedstaat weiterhin selbst darüber entscheidet,<br />
wie viel Zuwan<strong>der</strong>ung das Land<br />
braucht. Zweitens ergeben sich für die Zuwan<strong>der</strong>er<br />
<strong>und</strong> ihren engsten Familienangehörigen<br />
Perspektiven, die sich so in ihrer<br />
Heimat möglicherweise nicht finden würden.<br />
Schließlich können sie, wenn sie in ihre<br />
Heimat zurückgehen, mit ihrem erweiterten<br />
Wissen einen wichtigen Beitrag zur wirtschaftlichen<br />
Entwicklung ihres Herkunftslandes<br />
leisten. Damit aber zwischen Drittstaatlern<br />
<strong>und</strong> EU-Bürgern keine Zwei-Klassen-Gesellschaft<br />
entsteht, haben wir in <strong>der</strong><br />
Rahmenrichtlinie eine umfassende Gleichbehandlung<br />
festgeschrieben. Alle müssen den<br />
gleichen Zugang zu Arbeitnehmerrechten,<br />
Fortbildung <strong>und</strong> sozialen Sicherungssystemen<br />
haben.<br />
In den Jahren <strong>2007</strong> <strong>und</strong> <strong>2008</strong> wurden aber<br />
auch an<strong>der</strong>e wichtige sozialpolitische Weichen<br />
gestellt. So kämpfen Sozialdemokratinnen<br />
<strong>und</strong> Sozialdemokraten in Brüssel <strong>und</strong><br />
Straßburg für eine Stärkung <strong>der</strong> Patienten-<br />
230<br />
EUROPA<br />
DIE <strong>SPD</strong>-ABGEORDNETEN IM EUROPÄISCHEN PARLAMENT<br />
rechte. Mobilität muss auch für Patienten gelten.<br />
Wer glaubt, für sich eine bessere Behandlung<br />
im EU-Ausland zu finden, soll diese<br />
auch in Anspruch nehmen können, ambulant<br />
wie stationär.<br />
Faire Finanzmärkte für eine gerechte Gesellschaft<br />
Die US-Immobilienkrise, die ab dem Jahr<br />
<strong>2007</strong> als Folge eines spekulativ aufgeblähten<br />
Wirtschaftswachstums in den USA <strong>und</strong> einer<br />
weltweit kreditfinanzierten Massenspekulation<br />
einsetzte, hat das globale Finanzsystem<br />
gehörig ins Wanken gebracht. Was sich<br />
zunächst in Verlusten <strong>und</strong> Insolvenzen bei<br />
Unternehmen <strong>der</strong> Finanzbranche äußerte,<br />
ergriff spätestens nach dem Zusammenbruch<br />
<strong>der</strong> US-amerikanischen Bank Lehmann<br />
Brothers im September <strong>2008</strong> die Realwirtschaft<br />
– auch jenseits <strong>der</strong> Grenzen <strong>der</strong> Vereinigten<br />
Staaten. Die größte Finanz- <strong>und</strong><br />
Wirtschaftskrise seit <strong>der</strong> großen Depression<br />
1929 nahm ihren Lauf. Um die Folgen für<br />
Unternehmen <strong>und</strong> Beschäftigte weitestgehend<br />
abzuwenden, sahen sich Regierungen<br />
weltweit gezwungen, Stützungsmaßnahmen<br />
<strong>und</strong> Konjunkturpakete von zum Teil bisher<br />
nicht dagewesenem Ausmaß aufzulegen.<br />
Letztlich sollten die Steuerzahlerinnen <strong>und</strong><br />
Steuerzahler die Kosten tragen für das verantwortungslose<br />
<strong>und</strong> inkompetente Handeln<br />
einiger geldgieriger Finanzmarktakteure.<br />
<strong>Das</strong> hat das Vertrauen in die Finanzbranche<br />
tief erschüttert.<br />
Soweit hätte es womöglich gar nicht kommen<br />
müssen. Im Gegensatz zu <strong>der</strong> EU-<br />
Kommission <strong>und</strong> den übrigen Fraktionen im<br />
Barbara Weiler, <strong>SPD</strong>-Europaabgeordnete, Kurt Beck, Vorsitzen<strong>der</strong> <strong>der</strong> <strong>SPD</strong>, Dr. Udo Bullmann, stellv. Vorsitzen<strong>der</strong><br />
<strong>der</strong> <strong>SPD</strong>-Gruppe im Europäischen Parlament (v.l.) auf <strong>der</strong> Veranstaltung „Europa für fairen Lohn“<br />
am 12. 12. 07 in Frankfurt am Main<br />
Europäischen Parlament steht das Thema<br />
Finanzmarktregulierung bei den Sozialdemokraten<br />
nicht erst seit <strong>der</strong> Hypothekenkrise<br />
in den USA <strong>und</strong> <strong>der</strong> daraus resultierenden<br />
weltweiten Finanzmarktkrise auf <strong>der</strong> Agenda.<br />
Denn die Probleme sind seit langem bekannt.<br />
Daher for<strong>der</strong>te die sozialdemokratische Fraktion<br />
(SPE) bereits seit dem Jahr 2002 ein<br />
Ende des unkontrollierten Treibens auf den<br />
Finanzmärkten <strong>und</strong> stattdessen eine Europäisierung<br />
<strong>der</strong> Finanzaufsicht sowie einen<br />
Rechtsrahmen für Hedge Fonds <strong>und</strong> Kapitalbeteiligungsgesellschaften<br />
(Private Equity).<br />
Darüber hinaus sprechen sich die sozialdemokratischen<br />
Europaabgeordneten seit Jahren<br />
für eine Regulierung von Rating-Agenturen<br />
aus. Doch konservativ-liberale Mehrheiten<br />
sowohl in <strong>der</strong> Europäischen Kommission, im<br />
EU-Ministerrat sowie im Europäischen Parlament<br />
blockierten immer die von <strong>der</strong> SPE-<br />
Fraktion gefor<strong>der</strong>ten Regulierungsmaßnahmen.<br />
Wertvolle Zeit ging verloren.<br />
Mit dem Bericht von Poul Nyrup Rasmussen<br />
im Herbst <strong>2008</strong> waren es erneut Sozialdemokraten,<br />
die als erste nach Konsequenzen<br />
aus <strong>der</strong> nun auch in Europa einsetzenden Finanz-<br />
<strong>und</strong> Wirtschaftskrise verlangten <strong>und</strong><br />
die EU-Kommission auffor<strong>der</strong>ten, endlich<br />
Vorschläge zur Regulierung <strong>der</strong> Finanzmärkte<br />
Wir streiten darüber hinaus für einen umfassenden<br />
Schutz vor Diskriminierung, für<br />
eine Ausweitung des Mutterschutzes sowie für<br />
Maßnahmen zur Abfe<strong>der</strong>ung bei Arbeitsplatzverlust<br />
infolge <strong>der</strong> Globalisierung.<br />
auf den Tisch zu legen. Die drohende Kernschmelze<br />
an den Finanzmärkten <strong>und</strong> <strong>der</strong> steigende<br />
öffentliche Druck zwangen auch konservative<br />
<strong>und</strong> liberale Europaparlamentarier<br />
von ihren marktradikalen Positionen abzurücken<br />
<strong>und</strong> sich <strong>der</strong> sozialdemokratischen Initiative<br />
anzuschließen. Mit überwältigen<strong>der</strong><br />
Mehrheit von 562 Stimmen wurde die Resolution<br />
zur Regulierung <strong>der</strong> Finanzmärkte unter<br />
<strong>der</strong> Fe<strong>der</strong>führung von Rasmussen angenommen.<br />
In dem Bericht for<strong>der</strong>te das Europäische<br />
Parlament die EU-Kommission auf,<br />
bis zum Ablauf des Jahres <strong>2008</strong> die notwendigen<br />
Gesetzesvorschläge zu unterbreiten, die<br />
den folgenden sieben Gr<strong>und</strong>sätzen entsprechen<br />
sollten:<br />
1. Bestehende gemeinschaftliche Gesetzgebung<br />
sollte auf regulatorische Lücken<br />
überprüft, nationale Variationen kritisch<br />
bewertet <strong>und</strong> Europäisierung <strong>der</strong> Finanzaufsicht<br />
insbeson<strong>der</strong>e mit Blick auf grenzüberschreitend<br />
tätige Finanzinstitute vorangetrieben<br />
werden.<br />
2. Risikoabhängige Eigenkapitalanfor<strong>der</strong>ungen<br />
sollten für alle Finanzinstitute obligatorisch<br />
sein – auch für Hedge Fonds <strong>und</strong><br />
Private Equity.<br />
3. Regulierung von Ratingagenturen, um bestehende<br />
Interessenkonflikte zu beseitigen.