Der integrale Ansatz nach Ken Wilber und seine ... - Michaelegli.ch
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Diplomarbeit Margit Geilenbrügge: <strong>Der</strong> <strong>integrale</strong> <strong>Ansatz</strong> <strong>na<strong>ch</strong></strong> <strong>Ken</strong> <strong>Wilber</strong> <strong>und</strong> <strong>seine</strong> Umsetzung... Seite 25<br />
ihre definierende Form, nennt <strong>Wilber</strong> "Tiefenstruktur". Die Tiefenstruktur wird "erinnert"<br />
oder "entdeckt", ihr Auftau<strong>ch</strong>en bezei<strong>ch</strong>net er als "Transformation". Eine<br />
Transformation stellt einen qualitativen Bewußtseinswandel dar. Auf jeder neuen<br />
Stufe der Bewußtseinsentwicklung identifiziert si<strong>ch</strong> das Selbst mit dieser neuen Tiefenstruktur<br />
<strong>und</strong> "übersetzt" sie in eine entspre<strong>ch</strong>ende "Oberflä<strong>ch</strong>enstruktur". (s.u.)<br />
Veränderungen in der Oberflä<strong>ch</strong>enstruktur nennt <strong>Wilber</strong> "Translationen" (Verb:<br />
transferieren), sie geben ledigli<strong>ch</strong> die Variationsbreite eines Bewußtseinsmodus`<br />
wieder. Die Tiefenstruktur ist allen Mens<strong>ch</strong>en gemeinsam, die Oberflä<strong>ch</strong>enstruktur<br />
wird erlernt <strong>und</strong> variiert je <strong>na<strong>ch</strong></strong> Kultur <strong>und</strong> äußeren Einflüssen. Ein Beispiel soll dies<br />
verdeutli<strong>ch</strong>en: Wenn im Alter von etwa zwei Jahren in der kindli<strong>ch</strong>en Entwicklung<br />
die Fähigkeit zum spra<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>em Denken emergiert, beginnt das Bewußtsein, diese<br />
neue geistige Fähigkeit in eine Oberflä<strong>ch</strong>enstruktur zu "transferieren". Das Kind<br />
lernt, dur<strong>ch</strong> <strong>seine</strong> Umwelt beeinflußt, eine Spra<strong>ch</strong>e zu spre<strong>ch</strong>en, die <strong>seine</strong>m kulturellen<br />
Kontext gemäß ist. Die Fähigkeit zu spre<strong>ch</strong>en, die das Potential der Tiefenstruktur<br />
darstellt, ist allen Mens<strong>ch</strong>en gemeinsam, die Art der Spra<strong>ch</strong>e, d. h. die Art <strong>und</strong><br />
Weise der Translation, der Übersetzung der Tiefenstruktur in eine Oberflä<strong>ch</strong>enstruktur,<br />
variiert.<br />
Die Tiefenstruktur verkörpert ni<strong>ch</strong>t nur das Potential, sondern au<strong>ch</strong> die Begrenzung<br />
dieser Ebene. Sie wirkt wie eine Art Brille, die alle die Wahrnehmungen <strong>und</strong> Erfahrungsmögli<strong>ch</strong>keiten<br />
ausgrenzt, die ihr ni<strong>ch</strong>t entspre<strong>ch</strong>en. Ein Kind der Präop-Stufe<br />
beispielsweise ist mit <strong>seine</strong>r Wahrnehmung völlig identifiziert, eine Unters<strong>ch</strong>eidung<br />
zwis<strong>ch</strong>en tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Sein <strong>und</strong> Ers<strong>ch</strong>einen ist ni<strong>ch</strong>t mögli<strong>ch</strong>. (Die glei<strong>ch</strong>e Menge<br />
Flüssigkeit von einem fla<strong>ch</strong>en, breiten, in ein s<strong>ch</strong>males hohes Glas ges<strong>ch</strong>üttet, wird<br />
für das Kind ein Mehr an Flüssigkeit bedeuten.) Es wird erst frei von dieser Art des<br />
Denkens, wenn es die Bewußtseinsstruktur der Präop-Stufe transzendiert. (Vergl.<br />
Kegan 1994: 55f)<br />
3.3 Die Entwicklungslinien <strong>und</strong> das Selbst<br />
Dur<strong>ch</strong> diese Gr<strong>und</strong>ebenen ziehen si<strong>ch</strong> eine größere Zahl von Entwicklungslinie, die<br />
si<strong>ch</strong> relativ unabhängig von einander entfalten: die Entwicklung der Moral, der Affekte/Emotionen,<br />
der kommunikativen Kompetenz, der Kognition, kinästhetis<strong>ch</strong>er<br />
Fähigkeiten, die Entwicklung von Formen musis<strong>ch</strong>er Begabungen etc. Diese Entwicklungslinien<br />
entfalten si<strong>ch</strong> innerhalb der Gr<strong>und</strong>strukturen des Bewußtseins holar<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>,<br />
d.h. die höhere Emergenz baut auf der niedrigeren auf <strong>und</strong> bezieht sie ein.<br />
Keine Ebene kann übersprungen werden. (IP: 45-49, 250f) Ein Teil dieser Entwicklungslinien<br />
ist in enger Weise mit der Entwicklung des "Selbst" verb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> verändern<br />
si<strong>ch</strong> mit ihm. (IP: 55f, 135-140; vergl. WGS: 213f) Zu diesen "auf das Selbst<br />
bezogenen Entwicklungslinien", au<strong>ch</strong> "Übergangsstrukturen" genannt, zählen die<br />
Entwicklung der Bedürfnisse (Maslow 1977), der Selbstidentität (Loveinger 1977,<br />
Erikson 1992, Kegan 1994 u.a.) die moralis<strong>ch</strong>e Entwicklung (Kohlberg1985, Gilligan<br />
1984, Piaget 1973 u.a.) <strong>und</strong> die Entwicklung der Weltsi<strong>ch</strong>t (Gebser 1999, Habermas<br />
1976 u.a.) Dazu ein Beispiel: Die Entwicklung von der Präop-Ebene zum<br />
Konop-Denken ma<strong>ch</strong>t es mögli<strong>ch</strong>, mentale Regeln wie Multiplikation, Klasseninklu-<br />
Unbewußte". Das "ar<strong>ch</strong>ais<strong>ch</strong>e Unbewußte" ist das phylogenetis<strong>ch</strong>e Erbe der frühesten<br />
primitivsten Strukturen, die präverbal <strong>und</strong> meist au<strong>ch</strong> sub-human sind, <strong>und</strong> nie im Bewußtsein<br />
auftau<strong>ch</strong>en. Das "untergetau<strong>ch</strong>te Unbewußte" ist eine Art "Kontinuum der Unaufmerksamkeit",<br />
das vom einfa<strong>ch</strong>es Vergessen, über selektives Vergessen bis zum zwanghaften<br />
Vergessen (Freuds Verdrängung) rei<strong>ch</strong>t. Das "auftau<strong>ch</strong>ende Unbewußte" sind die Potentiale<br />
der höheren bzw. tieferen Entwicklungsebenen, die uns no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t bewußt sind. Es<br />
sind, so <strong>Wilber</strong>, unbekannte Attraktoren, die in der Zukunft liegen. (AP: 136)