Johann Gottfried Herder. Versuch einer Biografie. - Robert Matthees ...
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Studienzeit in Königsberg (1762 - 1764).<br />
Königsberg war im 18. Jahrhundert eine der größten an der Ostsee gelegenen<br />
Handelsstädte und unter dem aufgeklärten König, Friedrich II. der Große, - man<br />
kann es durchaus sagen – gelangte sie zu ihrer größten Blüte. „Einzig war der<br />
Eindruck“, so erzählte <strong>Herder</strong> über die Metropole mir ihren ca. 60000 Einwohnern,<br />
„aus meinen armen stillen Mohrungen in diese große, gewerbreiche, geräusch- und<br />
geschäftsvolle Stadt mit einmal versetzt! Wie staunte ich alles an! Wie groß war mir<br />
alles!“<br />
Aus ihm wäre wohlmöglich sogar ein recht guter Mediziner geworden, jedoch zeigte<br />
sich bereits in dieser Zeit seine ausgeprägte Empfindung, seine Verbundenheit zum<br />
Menschen, die von wahrem Mitgefühl und tiefer, inniger Teilnahme an der<br />
Lebenssituation des Gegenübers getragen wurde.<br />
Nachdem er bei s<strong>einer</strong> ersten Sektion also in Ohnmacht fiel, beschloss <strong>Johann</strong><br />
<strong>Gottfried</strong> seine weitere Laufbahn in einem geistigen Beruf zu suchen. Da er aus<br />
einfachen Verhältnissen stammte, bot sich ihm im Großen und Ganzen kaum eine<br />
andere Möglichkeit, als an der theologischen Fakultät der Albertina Universität zu<br />
immatrikulieren, um Prediger zu werden.<br />
Obendrein bekam er eine Anstellung als Lehrer beim „Collegium Fridericianum“,<br />
eine 1698 gegründete Lehranstalt, die Schüler auf das Studium vorbereitete. Er<br />
erhielt kostenfreie Unterkunft sowie Heizmaterial als auch Kerzen und damit die<br />
Möglichkeit, Privat- und Nachhilfestunden zu geben. Mit neunzehn Jahren<br />
unterrichtete er Geschichte, Griechisch, Hebräisch, Latein, Mathematik,<br />
Philosophie, Poetik und die damalige Trend- bzw. Modesprache, Französisch.<br />
Da der Ertrag aus all diesen Tätigkeiten jedoch sehr bescheiden war, bat <strong>Herder</strong> um<br />
ein Stipendium. Der Graf von Dohna-Schlodien gewährte die magere Unterstützung<br />
aus Mohrungen für drei Jahre.<br />
"Ich ging mit 3 Talern 9 Groschen Preußisch-Kurant auf die Universität und machte<br />
mir einen Ehrenpunkt daraus, von meinen Eltern nichts mehr zu begehren, weil sie<br />
mir nichts geben konnten", schrieb er in einem Brief vom 25. April 1799 (übrigens<br />
mahnend) an seinen zukünftigen Sohn Sigmund August Wolfgang.<br />
<strong>Johann</strong> <strong>Gottfried</strong> widmete sich allerdings nicht nur s<strong>einer</strong> Lehrertätigkeit, sondern<br />
war auch reichlich mit dem Studium der Theologie beschäftigt. Dies bedeutete eine<br />
strenge Einteilung seines Tagesablaufs; die Zeiten für Aufnahme und Abgabe von<br />
Wissen, sowie die zur Ruhe und Entspannung, mussten klar geregelt und stets mit<br />
Bedacht eingeteilt sein.<br />
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