22.12.2012 Aufrufe

Johann Gottfried Herder. Versuch einer Biografie. - Robert Matthees ...

Johann Gottfried Herder. Versuch einer Biografie. - Robert Matthees ...

Johann Gottfried Herder. Versuch einer Biografie. - Robert Matthees ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

In s<strong>einer</strong> Antrittspredigt am 5. Mai kritisierte er den toten Formel- und<br />

Bekenntnisglauben, er eiferte gegen die träge, gedanken- und gefühlslose<br />

Maschinenandacht, leider ohne von der Zuhörerschaft verstanden zu werden.<br />

Außerdem hatte er Zahnschmerzen, wie er Caroline am 22. Juni 1771 miteilte:<br />

"Seit fast 14. Tagen habe ich nehmlich die gräßlichsten Zahnschmerzen, die man sich<br />

nur im Höllenreich denken kann“. [...] “Noch habe ich letzten Sonntag damit<br />

gepredigt, und den Geburtstag der Gräfin bei Hofe celebrieren helfen“, [...] “aber<br />

morgen kann ich nicht mehr und laße für mich predigen“. [...] “o Gott gib mir doch<br />

gute Nacht, ich habe in 3. Nächten nicht geschlafen!"<br />

Im selben Brief heißt es an anderer Stelle:<br />

[...] „den Leuten in der Stadt, die mich für einen großen Gelehrten halten, weil ich<br />

mich morgens 4. Uhr in den Wäldern umhertreibe, und für den größten Hofmann, weil<br />

ich so ziemlich machen kann, was ich will, und für den berühmtesten Mann in der<br />

Welt, weil ich jetzt den Preis“ [für die „Abhandlung über den Ursprung der<br />

Sprache.“] „bekommen, denen kann ich so ziemlich Viel weiß machen: nur Schade,<br />

Schade, daß es mit durchaus an Gesellschaft zur Bildung und zur Empfindung fehlt.“<br />

Zur selben Zeit begann er einen Aufsatz über Shakespeare für den Hamburger<br />

Übersetzer und Verleger <strong>Johann</strong> Joachim Christoph Bode und formulierte den<br />

"Auszug aus einem Briefwechsel über Oßian und die Lieder alter Völker", beide<br />

wurden später (1774), gepaart mit Beiträgen von Goethe, Frisi und Möser, die u.a.<br />

gotische Baukunst behandelten, im sogenannten Programmheft des Sturm und<br />

Drang veröffentlicht („Von deutscher Art und Kunst“).<br />

In seinem Shakespeare-Aufsatz trat <strong>Herder</strong> neben Lessings „Hamburgischer<br />

Dramaturgie“ (1768) auf das Bühnenbild. Lessing forderte in s<strong>einer</strong> Schrift unter<br />

anderem eine Tragödie, in der auch der einfache Mensch, also nicht nur der Adlige<br />

oder König selbst, zum Helden werden kann.<br />

Weiterhin verteidigte Lessing Shakespeares Werke gegenüber so mancher Kritik<br />

und wies an ihnen praktisch griechische Würde nach. <strong>Herder</strong>, allen Vergleichen<br />

entsagend, stellte dagegen fest, dass Shakespeare ebenso Kunst sei, wie die alten<br />

Griechen, er hatte seine eigene Natur und Art entwickelt. Wie im griechischen<br />

Leben Simplizität herrschte, so auch in ihrem Drama; wie in Shakespeares Welt<br />

eine große Vielseitigkeit herrschte, so auch in seinen Werken.<br />

Zur Einheit von Ort und Zeit, was ein weiterer Streitpunkt der damaligen<br />

55

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!