Johann Gottfried Herder. Versuch einer Biografie. - Robert Matthees ...
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Das Schreiben mit der endgültigen Berufung nach Weimar traf am 12. Juni 1776<br />
ein. Allerdings verzögerte sich <strong>Herder</strong>s Abreise erneut. Sein religiöses Vorbild,<br />
Gräfin Maria, die mit ihm über seine theologischen Werke, d.h. über die "Briefe<br />
zweener Brüder Jesu in unserm Kanon" und das Manuskript zur "<strong>Johann</strong>es-<br />
Offenbarung", korrespondiert hatte, war am 16. Juni an der damals als<br />
Schwindsucht bezeichneten Tuberkulose gestorben.<br />
"Der Tod der Gräfin ist das letzte Signal, die laute Stimme 'geh!'“, schrieb er<br />
daraufhin am 26. Juni 1776 in einem Brief.<br />
Am 2. Juli 1776 bat <strong>Herder</strong> den Grafen, der ein Jahr nach dem Tod s<strong>einer</strong> Frau in<br />
Trauer starb, unter dem Vorwand eines Hämorridialleidens um Urlaub. Er reiste<br />
zur Brunnenkur nach Pyrmont, um dort den hannoverschen Stabssekretär und<br />
Dichter Boie zu treffen, von dem er Informationen über einige geeignete Spediteure<br />
zur Übersiedlung nach Weimar erhielt.<br />
Goethe beaufsichtigte während dessen die Vorbereitungen für <strong>Herder</strong>s Einzug in<br />
das Weimarer Amtshaus des Superintendenten. Das 1727 im barocken Stil<br />
errichtete Gebäude mit Obst- und Gemüsegarten war renovierungsbedürftig: Öfen<br />
mussten gesetzt, Fenster installiert und das oberste Stockwerk mit Weißer Farbe<br />
neu gestrichen werden.<br />
Siegmund August Wolfgang, <strong>Herder</strong>s zweiter Sohn, wurde am 18. August 1776<br />
geboren: "Er ist ganz anderer Edition als der Erste, dieser ein zarter Schäfer,<br />
Mutterbild; der erste ein wilder Freßer und Läufer, wie mit Respekt zu sagen, sein<br />
Vater." (Brief <strong>Herder</strong>s von Ende August)<br />
Von einem mecklenburgischen Adligen erbat <strong>Herder</strong> noch einen Kredit zur<br />
Unterstützung Hamanns, welcher wegen finanzieller Not seine Privatbibliothek<br />
verkaufen wollte.<br />
Nachdem er wenige Tage zuvor auch der Geistlichkeit seinen Rücktritt erklärt hatte,<br />
hielt er am 15. September 1776 seine Abschiedspredigt.<br />
In Weimar schmückten noch Porträts des Grafen und der Gräfin sein<br />
Arbeitszimmer und vor allem Caroline gedachte gern ihrer ersten Ehejahre in<br />
Westfalen.<br />
Die Familie <strong>Herder</strong> machte sich - mit den durch Boies Vermittlung gemieteten<br />
Kutscher - zuerst auf nach Halberstadt. Nach einwöchigem Aufenthalt bei Gleim<br />
führte die Reise weiter nach Thüringen.<br />
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