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Johann Gottfried Herder. Versuch einer Biografie. - Robert Matthees ...

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förmlich, er glaubte, sie seien der Ursprung aller hohen Künste. <strong>Johann</strong> <strong>Gottfried</strong><br />

sah die Geschichte dagegen als ewiges, dunkles, miteinander verwobenes<br />

Fortschreiten an: „Die ersten Kunstwerke der Griechen waren aus Asien oder Asien<br />

nahe. Die älteste Bildsäule zu Argos war aus Tyros dahin gebracht.“ [...] „Die<br />

Ähnlichkeit, die sich zwischen dem alten Griechischen und Aegyptischen Styl findet,<br />

ist offenbar und niemand kann sie leugnen.“<br />

Vor allem lobte er an Winkelmanns Schriften: Sie seien „Einfältig im Vortrage:<br />

natürlich in der Ausführung und Erhaben in der Schilderung.“ Und kein größeres Lob<br />

könnte man für Winkelmann, den Verehrer der Griechen, wählen als jenes, das<br />

<strong>Herder</strong> aussprach: Er ist ein „Grieche unserer Zeit“.<br />

Im dritten Wäldchen wandte sich <strong>Herder</strong> gegen die Einführung von Fremdwörtern<br />

in die deutsche Sprache, vor allem gegen die abstrakt-gelehrte lateinische Bildung.<br />

Über die Aufgabe der Ästhetik, über ihre Anwendung, notierte <strong>Johann</strong> <strong>Gottfried</strong> im<br />

vierten Wäldchen: „Sie heftet sich mit ihrer Aufmerksamkeit auf die vorige<br />

Empfindung, reißt Theile von Theilen, abstrahiert Theile vom Ganzen – nicht mehr<br />

schönes Ganze: es ist in dem Augenblick zerrissne, verstümmelte Schönheit. So<br />

durchgeht sie die einzelnen Theile, sinnet nach, hält alle zusammen, um sich den<br />

vorigen Eindruck wiederzubringen, vergleichet. Je genauer sie nachsinnet, je schärfer<br />

sie vergleichet, desto deutlicher wird der Begriff der Schönheit, und so ist also ein<br />

deutlicher Begriff der Schönheit kein Widerspruch mehr an sich, sondern nichts als<br />

ein völliger Unterschied von verworrener Empfindung derselben.“<br />

Für eine Kunstbetrachtung, die in <strong>einer</strong> solchen Weise stattfinden soll, seien<br />

ebenfalls gute Geschichtskenntnisse nötig. Denn der Geschmack ist nicht nur von<br />

Mensch zu Mensch verschieden, sondern auch von Nation zu Nation. Bei <strong>einer</strong><br />

solch universalen Betrachtungsweise sei es wichtig, „das Schöne zu kosten, wo es<br />

sich findet, in allen Zeiten und allen Völkern und allen Künsten und allen Arten des<br />

Geschmacks.“ „Glücklich, wer so kostet!“, ruft <strong>Herder</strong> aus, „Er ist der Eingeweihte in<br />

die Geheimnisse aller Musen und aller Zeiten und aller Gedächtnisse und aller<br />

Werke: die Sphäre seines Geschmacks ist unendlich, wie die Geschichte der<br />

Menschheit: die Linie eines Umkreises liegt auf allen Jahrhunderten und<br />

Produktionen, und Er und die Schönheit steht im Mittelpunkt“. Eine solche Belebung<br />

und Erweiterung des Schönheitssinnes sei überhaupt für jeden kunstinteressierten<br />

Menschen unabdingbar, damit er „das Schöne sieht und fühlt und anbetet, wo es<br />

sich findet, in jeder Kunst wie im Schooße der großen Natur“.<br />

<strong>Johann</strong> <strong>Gottfried</strong> fühlte sich in Riga derweil stark eingeengt und die anhaltende<br />

Fehde mit Klotz war ebenfalls ein ausschlaggebender Grund, der seine<br />

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