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Johann Gottfried Herder. Versuch einer Biografie. - Robert Matthees ...

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Am 20. September 1788 verfasste <strong>Johann</strong> <strong>Gottfried</strong> einen Brief an seine Ehefrau:<br />

“Da sind wir in der Hauptstadt der Welt, und alles Ungemach der Reise ist vergessen.<br />

Gestern abend oder Nachmittag zwischen vier und fünf Uhr langten wir an, stiegen<br />

bei Danon ab, der uns ein Haus im Corso anwies, wo wir uns dann nach einem<br />

Hause umzusehen Zeit haben, vorderhand aber noch ziemlich enge und unbequem<br />

zusammengepackt sind. Unsre erste Sorge war um Briefe. Dalberg, die Seckendorff<br />

empfangen die ihrigen, ich aber ging leer aus. Ich habe diesen Morgen nochmals auf<br />

alle Posten geschickt, aber vergebens. Was mich das schmerzt, kann ich Dir, Liebste<br />

auf Erden, nicht sagen. Es ist Euch, hoffe ich, nichts begegnet, sondern alles, alles,<br />

ich hoffe es zu Gott, ein Missbenehmen mit den Posten, dem Goethe doch wohl hätte<br />

zuvorkommen können. – Ich ging gestern abend zu Bury und glaubte, bei ihm würden<br />

welche sein; ich sah Goethes Quartier und an Bury den herzlichsten, liebevollsten<br />

Jüngling, aber keine Briefe. Er ging mit mir zu Angelika, die mir nichts als Goethes<br />

alten Brief von Konstanz zu geben hatte, für den ich ihm sehr danke. Reiffenstein<br />

kam auch eben hin, daß ich also den ersten Abend gleich drei Deutsche sprach; er<br />

hat Goethes Geldanweisung erhalten, sage ihm das. Die Angelika wartet auf eine<br />

Antwort von ihm; sie hat nachgerechnet, daß sie sie schon haben könnte, sage ihm<br />

das auch. Sie ist eine feine, zarte, reine Seele, ganz Künstlerin, äußerst simpel, ohne<br />

Reiz des Körpers, aber in allem sehr interessant; der Hauptzug ist Simplizität,<br />

Reinheit und Feinheit. Schade für die Kunst und Menschheit, daß sie schon etwas<br />

altert. Sie hat mich sehr artig empfangen; ich blieb aber nicht lange da, weil meine<br />

Quodlibet-Gesellschaft zu Hause noch nicht arrangiert und ich nur so weggelaufen<br />

war. Die Nacht habe ich prächtig geschlafen und befinde mich gesund und wohl.“ [...]<br />

“Vor jetzt grüße alle und sage, daß ich gesund hier bin. Grüße Goethen und sage, daß<br />

ich sein Quartier gestern bei Licht gesehen; heut will ich’s sehen bei hellem Tage.<br />

Bury hat herzlich geweint, da er mich sah und herumführte. – Gesehen habe ich noch<br />

nichts als aus meinem Zimmer das Stück vom blauen römischen Himmel“. [...] “Lebt<br />

wohl, wohl, wohl, wohl, und denkt m<strong>einer</strong>! Hier ist das Zweiglein vom Tempel der<br />

Diana am Clitumnus, ein Blatt aus dem ersten Olivenwalde und ein Lorbeerzweiglein<br />

vom Wasserfall bei Terni. Aus Rom meinen herzlichsten Kuß.“<br />

Durch den damals fast siebzigjährigen Kupferstecher und Maler, <strong>Johann</strong> Friedrich<br />

Reiffenstein, bekam <strong>Herder</strong> - wie auch Goethe - Kontakt zu <strong>einer</strong><br />

deutschsprachigen Künstlerkolonie in Rom, wo er als "Vescovo“ [Bischof] “di<br />

Weimar" galt.<br />

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