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Johann Gottfried Herder. Versuch einer Biografie. - Robert Matthees ...

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Freundschaft mit Goethe in Straßburg (1771).<br />

Auch Goethe, der ohne den von faustischem Erlebnis- und Erkenntnisdrang<br />

beseelten <strong>Herder</strong> wohlmöglich gar ausschließlich bei der Juristerei geblieben wäre,<br />

hatte das Zusammentreffen als sehr glückliches Ereignis empfunden. Dies gab er<br />

später, mit über 60 Jahren, im zehnten Buch s<strong>einer</strong> Jugendautobiografie "Dichtung<br />

und Wahrheit" anschaulich zu erkennen. Unter anderem schrieb er in diesem sehr<br />

ausführlichen Bericht über seinen damaligen Mentor:<br />

„In m<strong>einer</strong> Sphäre konnte das was ich hervorbrachte immer für gut gehalten werden.<br />

Frauenzimmer, Freunde, Gönner werden nicht schlecht finden was man ihnen zu<br />

Liebe unternimmt und dichtet; aus solchen Verbindlichkeiten entspringt zuletzt der<br />

Ausdruck eines leeren Behagens aneinander, in dessen Phrasen sich ein Charakter<br />

leicht verliert, wenn er nicht von Zeit zu Zeit zu höherer Tüchtigkeit gestählt wird.<br />

Und so hatte ich von Glück zu sagen, daß, durch eine unerwartete Bekanntschaft,<br />

alles was in mir von Selbstgefälligkeit, Bespiegelungslust, Eitelkeit, Stolz und<br />

Hochmut ruhen oder wirken mochte, <strong>einer</strong> sehr harten Prüfung ausgesetzt ward, die<br />

in ihrer Art einzig, der Zeit keineswegs gemäß, und nur desto eindringender und<br />

empfindlicher war.<br />

Denn das bedeutendste Ereignis, was die wichtigsten Folgen für mich haben sollte,<br />

war die Bekanntschaft und die daran sich knüpfende nähere Verbindung mit <strong>Herder</strong>.<br />

Er hatte den Prinzen von Holstein-Eutin, der sich in traurigen Gemütszuständen<br />

befand, auf Reisen begleitet und war mit ihm bis Straßburg gekommen. Unsere<br />

Sozietät, sobald sie seine Gegenwart vernahm, trug ein großes Verlangen sich ihm zu<br />

nähern, und mir begegnete dies Glück zuerst ganz unvermutet und zufällig. Ich war<br />

nämlich in den Gasthof Zum Geist gegangen, ich weiß nicht welchen bedeutenden<br />

Fremden aufzusuchen. Gleich unten an der Treppe fand ich einen Mann, der eben<br />

auch hinaufzusteigen im Begriff war, und den ich für einen Geistlichen halten konnte.<br />

Sein gepudertes Haar war in eine runde Locke aufgesteckt, das schwarze Kleid<br />

bezeichnete ihn gleichfalls, mehr noch aber ein langer schwarzer seidner Mantel,<br />

dessen Ende er zusammengenommen und in die Tasche gesteckt hatte. Dieses<br />

einigermaßen auffallende, aber doch im Ganzen galante und gefällige Wesen, wovon<br />

ich schon hatte sprechen hören, ließ mich keineswegs zweifeln, daß er der berühmte<br />

Ankömmling sei, und meine Anrede mußte ihn sogleich überzeugen, daß ich ihn<br />

kenne. Er fragte nach meinem Namen, der ihm von k<strong>einer</strong> Bedeutung sein konnte;<br />

allein meine Offenheit schien ihm zu gefallen, indem er sie mit großer Freundlichkeit<br />

erwiderte, und als wir die Treppe hinaufstiegen, sich sogleich zu <strong>einer</strong> lebhaften<br />

Mitteilung bereit finden ließ. Es ist mir entfallen, wen wir damals besuchten; genug,<br />

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