Johann Gottfried Herder. Versuch einer Biografie. - Robert Matthees ...
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Hofprediger in Bückeburg (1771 - 1776).<br />
Das kleine Bückeburg, die am Rande des Wesergebirges gelegene Residenzstadt des<br />
Grafen Friedrich Ernst Wilhelm zu Schaumburg-Lippe, war also <strong>Herder</strong>s neue<br />
Heimat.<br />
Er kam am 28. April 1771 um sieben Uhr in der Wallstraße an. Als der 27-jährige<br />
Pastor die Kutsche verließ, staunten die anwesenden Personen nicht schlecht. Er<br />
war nicht wie ein Geistlicher gekleidet, sondern trug ein himmelblaues, mit Gold<br />
besetztes Gewand, eine weiße Weste und einen weißen Hut.<br />
<strong>Johann</strong> <strong>Gottfried</strong> machte kaum einen Schritt, als ihm ein Bote des Grafen<br />
aufforderte, sich unverzüglich im Schloss zu melden. Da er allerdings der<br />
Auffassung war, keinesfalls auf den Barbier verzichten zu können, suchte er diesen<br />
zunächst auf, weshalb er verspätet gegen neun Uhr im Schloss eintraf. "Der Graf -<br />
an schnelle Erfüllung s<strong>einer</strong> Anweisungen gewohnt - war über dieses späte Kommen<br />
schon verstimmt und empfing <strong>Herder</strong>'n sehr kalt.", berichtete Caroline in ihren<br />
"Erinnerungen.".<br />
"Auf Bückeburg mag ich noch gar nicht gern kommen! Seit Sonnabend hier, und von<br />
da an noch äußerst verwirrt, zerstreut und unordentlich. Noch außer meinem Hause,<br />
das erst möbiliert wird“. [...] “vor der Tür eines Amts, das mir so angemessen ist, als<br />
wenn ich Schulz im Dorf werden sollte“. [...] “O liebe Freundin, wenn ich hier allein<br />
leben sollte, nur drei Jahre allein, so bin ich tot, oder lieber gleich zum Tor heraus.<br />
Stellen Sie sich vor, was ich für eine Figur spielte, als mich mein ehrwürdiger Kollege<br />
mitten durch die Kirche führte, mich und meinen Mantel in der Tasche, als<br />
Konsistorialrat und hochwürdiger Oberprediger - wäre ein Elefant durchgeführt<br />
worden, so wäre nicht mehr Aufsperrens gewesen, und so ist's, wenn ich einen Tritt<br />
auf die Gasse thue. Der Ort ist so klein, die Erwartungen so lange und sonderbar und<br />
meine Figur zu meinen Ämtern nach dem hiesigen Ton so schnakisch, daß, wenn mir<br />
der Kopf nicht so weh täte, ich hundert Materie zu lachen hätte. Wie ich in meinem<br />
Haus sein werde, können Sie sich denken. Es ist das beste in ganz Bückeburg, hat,<br />
glaub ich, zwölf Zimmer, so wie ich denn unmaßgeblich eine der ersten Rangpersonen<br />
hiesigen Orts und Herrlichkeit bin, dazu gehören zwei Gärten und was weiß ich mehr<br />
- wovon ich noch Nichts weiß, und nun ich, mit meinem Koffer, als Einwohner! - Hm! “<br />
[...] “So viel sehe ich wohl“, [...] “man muß in Bückeburg sich in seinem Hause einen<br />
Kreis schaffen, wo man denkt und fühlt und menschlich lebt - alsdenn kann man<br />
hier, wie vielleicht an keinem Ort in der Welt, im Paradise leben, oder man tut wohl,<br />
den Koffer nicht auszupacken.", schrieb er Caroline am 1. Mai 1771.<br />
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