Johann Gottfried Herder. Versuch einer Biografie. - Robert Matthees ...
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einen "Schlag im Genick“ [...] “der sich dem ganzen Rücken mitteilte" (Brief vom 14.<br />
November 1803) - vermutlich handelte es sich um einen leichten Schlaganfall.<br />
Seitdem verließ er das Haus nicht mehr.<br />
Seine letzte Reformidee betraf die Einrichtung eines Predigerseminars für<br />
"brauchbare Theologen" (Brief vom 20. Oktober 1803), da er die rhetorische<br />
Überzeugungskraft s<strong>einer</strong> Kollegen in der kritischen Philosophie versinken sah.<br />
Während <strong>einer</strong> Aufzeichnung eines Gedichts von Gerstenberg legte er die<br />
Schreibfeder dann für immer nieder.<br />
Es folgte eine "Atonie [Erschlaffung] aller Lebensfunktionen" (Brief Carolines vom 26.<br />
Dezember 1803), die der Hausarzt - Sohn Wilhelm Christian <strong>Gottfried</strong> - mit<br />
medizinischen Blutegeln und verschiedenen Medikamenten bekämpfte.<br />
Kurzzeitig zeigte sich eine Besserung: Das Schulmeisterexamen wurde in <strong>Herder</strong>s<br />
Krankenzimmer durchgeführt.<br />
Daraufhin verschlimmerte sich sein Zustand erneut: Er bat Gymnasialdirektor<br />
Böttiger ihn bei der Versetzung der Schüler - zum ersten Mal in seinem Leben - zu<br />
vertreten und wurde vom Herzog bis Ostern 1804 beurlaubt.<br />
Letztlich wurden noch zwei weitere Ärzte zur Behandlung hinzugezogen.<br />
"Ich begreife meine Krankheit nicht: mein Geist ist gesund und nur mein Körper so<br />
krank; wenn ich aus dem Bette sein könnte, ich wollte viel, viel arbeiten.", soll <strong>Herder</strong><br />
in den ersten Wochen s<strong>einer</strong> Krankheit oft gesagt haben. Zwei Monate dauerte der<br />
Lebenskampf gegen Erkältung, Gicht, chronische Verstopfung und mehrere<br />
Schlaganfälle.<br />
Dem dritten Sohn Wilhelm Ludwig Ernst waren in dieser Zeit Frau und Kind<br />
gestorben, weshalb er nahezu den ganzen Tag am Krankenbett seines Vaters<br />
verbrachte. Es wird berichtet, dass <strong>Herder</strong> manchmal verzweifelt seinen Arm um<br />
den Hals des Sohnes legte und um Genesung bat.<br />
Ein Brief Jean Pauls brachte noch einmal eine Aufheiterung: Er - der nichts von<br />
<strong>Herder</strong>s Krankheit wusste - berichtete freudig von der Geburt seines zweiten<br />
Kindes.<br />
Das Vortragen des düsteren "Chors der Dohle" der "32. Jobelperiode" aus Jean<br />
Pauls "Titan" sorgte ebenfalls für ein letztes Aufleuchten in <strong>Herder</strong>s Geist.<br />
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