Johann Gottfried Herder. Versuch einer Biografie. - Robert Matthees ...
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Über Heidelberg, übrigens die älteste Universitätsstadt Deutschlands, gelangte die<br />
Gesellschaft nach Karlsruhe, d.h. zu der Hauptstadt der Markgrafschaft von Baden-<br />
Durlach. Über den aufgeklärten Adligen Carl Friedrich, der in seinem Land einmal<br />
die Leibeigenschaft beseitigen wird, notierte <strong>Herder</strong> in einem Brief vom 30. August<br />
1770:<br />
"Der Marggraf, mit dem ich die erste Viertheilstunde sprach, ohne ihn zu kennen,<br />
sucht mich Mittag und Abend auf eine sehr gute Art recht auf mit s<strong>einer</strong> Unterhaltung,<br />
und da Er der erste Fürst ist, den ich, ganz ohne Fürstenmine, kenne, so fallen unsre<br />
langen Gespräche meistens auf Dinge, die zur Einrichtung und Freiheit des<br />
Menschlichen Geschlechts gehören."<br />
Die höfische Reisegesellschaft erreichte am Abend des 4. September 1770 die<br />
elsässische Stadt Strassburg, welche seit 1697 zu Frankreich gehörte. <strong>Herder</strong> - der<br />
sich immer mehr von den anderen Reisenden entfremdete - bezog sein Quartier im<br />
Gasthof "Zum Geist" am Quai Saint-Thomas Nummer 7, nahe der Nikolausbrücke<br />
an der Ill, einen Nebenfluss des Rheins. Am 20. September 1770 teilte er dem<br />
daraufhin sehr traurigen Fürstensohn und dessen Hofmeister die endgültige<br />
Trennung mit.<br />
Anfang November erhielt er einen Brief s<strong>einer</strong> Mutter. Anna Elisabeth, die<br />
kränkliche dreiundfünfzigjährige Frau, welche als "A.E. <strong>Herder</strong>in" unterzeichnete,<br />
machte sich wegen der bevorstehenden Augenkur ihres Sohnes Sorgen und<br />
entschuldigte sich für ihren mangelnden Schreibfleiß.<br />
Zu Beginn der chirurgischen Behandlung war <strong>Herder</strong> mit der Beantwortung <strong>einer</strong><br />
Preisfrage nach dem Ursprung der Sprache beschäftigt, die hier kurz beleuchtet<br />
werden soll. In s<strong>einer</strong> Schrift stritt er den "höheren Ursprung" der Sprache ab und<br />
eröffnete so der Sprachphilosophie neue Wege und Möglichkeiten. Sie sei nicht „aus<br />
Buchstaben der Grammatik Gottes, sondern aus wilden Tönen freier Organe<br />
entstanden“, "schon als Tier, hat der Mensch Sprache" und "seine Seele hat<br />
gleichsam in ihrem Inwendigen geblöckt, da sie diesen Schall zum<br />
Erinnerungszeichen wählte, und wiedergeblöckt, da sie ihn daran erkannte - die<br />
Sprache ist erfunden!" Dennoch ist die menschliche Sprache von der Sprache der<br />
meisten Tiere verschieden, denn beim Menschen kommt die Besonnenheit, die<br />
verständige Vernunft, dazu, „diesen Ton mit Absicht zu brauchen“.<br />
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