Johann Gottfried Herder. Versuch einer Biografie. - Robert Matthees ...
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Kants rationale Vorlesungen wirkten bahnweisend auf den jungen Studenten,<br />
dessen Weltbild bis Königsberg nahezu ausschließlich von poetischen Gefühlen und<br />
intuitiven Erkenntnissen geprägt worden ist. Als Trescho 1764 bei einem Besuch<br />
<strong>Herder</strong> in Königsberg traf, fand er jedenfalls "einen ganz anderen Jüngling", der<br />
"endlich für die große Welt gemacht dastand".<br />
Ein weiterer und der wohlmöglich bedeutungsvollste Freund <strong>Herder</strong>s war <strong>Johann</strong><br />
Georg Hamann. Der Einfluss s<strong>einer</strong> philosophischen Sichtweisen wird vor allem<br />
(keinesfalls ausschließlich!) in <strong>Herder</strong>s späten Jahren während seinen<br />
Auseinandersetzungen mit Kant und in s<strong>einer</strong> Sprachphilosophie deutlich.<br />
Außerdem lernte <strong>Herder</strong> von Hamann die englische Sprache und wurde durch ihn<br />
in Shakespeares Werke eingeführt.<br />
“Wie sein“ [Hamanns] „Leben scheinbar plan- und ziellos war, so auch seine<br />
Schriftstellerei. Da ihm die schöpferische Anlage versagt war, bloße Kritik aber<br />
seinem ganzen Wesen vollständig widerstrebte, schuf er sich ein Zwischending von<br />
Philosophie, Kritik und Dichtung. Und so unvollkommen auch nach allen diesen drei<br />
Richtungen seine Leistungen waren, so glänzend waren doch zugleich seine Einfälle,<br />
so tief die von ihm ausgehenden Wirkungen“, schrieb Alfred Biese 1918 in seinem<br />
Buch “Deutsche Literaturgeschichte“.<br />
Nachdem der studierte Theologe, Philosoph, Rechts- und Naturwissenschaftler<br />
(jedoch alles ohne Abschluss!) als Hauslehrer und Handelsvertreter tätig war,<br />
entwickelte er sich während <strong>einer</strong> Lebenskrise und intensivem Bibelstudiums zu<br />
einem philosophisch-theologischen Aufklärungsgegner und legte dabei die<br />
Grundsteine für den Sturm und Drang.<br />
Seine Kritik richtete sich gegen die gegenüberstellende Abgrenzung von Vernunft<br />
und Glaube. Alle wahrnehmenden Erkenntnisvermögen gründen, wie auch die<br />
logischen und ästhetischen Betrachtungen der Vernunft, nach Hamann, in der<br />
Sprache. Somit ließe sich von beiden als gemeinsames Fundament die Erfahrung<br />
bestimmen.<br />
Er wandte sich gegen die anmaßend-überhobene Betrachtung der Vernunft und<br />
betonte die dunkle, erhabene Macht der Intuition und die Eigentümlichkeit des<br />
menschlichen Nicht-Wissens, was vor allem in s<strong>einer</strong> Schrift der “Sokratischen<br />
Denkwürdigkeiten“ deutlich wurde.<br />
Für Hamann war jede schöpferisch-künstlerische Tätigkeit ein tief religiöser<br />
Vorgang, ja förmlich ein inniger Vorgang der prophetischen Berufung. Dass er die<br />
Bibel keinesfalls im Sinne der Orthodoxie auslegte, bezeugt der Beginn s<strong>einer</strong><br />
“Sokratischen Denkwürdigkeiten“ aus dem Jahr 1759:<br />
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