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Johann Gottfried Herder. Versuch einer Biografie. - Robert Matthees ...

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erst erscheinen und stellte Christian Adolph öffentlich als Dieb und Intriganten<br />

bloß. <strong>Herder</strong> stritt die Verfasserschaft der "Fragmente" auch weiterhin ab,<br />

woraufhin ein wirres Versteckspiel folgte. Eine durchaus kostspielige Rache für<br />

Autor und Verleger.<br />

Hamann und Lessing, der sich ebenfalls mit dem damals durchaus als<br />

Pseudogelehrten bekannt gewordenen Klotz in einem Disput befand, wirkten in<br />

dieser Zeit auf <strong>Herder</strong>s weitere schriftstellerische Entwicklung, sie förderten in<br />

vielen Briefen das Selbstvertrauen zu seinen Talenten.<br />

In den „Fragmenten“ stellte <strong>Herder</strong> fest, dass „Sprache, Geschmackswissen-<br />

schaften“ [Ästhetik], „Geschichte und Weltweisheit“ [Philosophie] „die vier Länderein<br />

der Literatur sind.“ Die Erkenntnis jener Viereinigkeit zieht sich wie ein roter Faden<br />

durch sein gesamtes Lebenswerk.<br />

Er forderte, dass für jede objektive, wirkliche Buchkritik die Maßstäbe zur<br />

Beurteilung eines Werkes nicht von außen an dasselbe herangetragen, sondern aus<br />

ihm selbst herausgenommen werden müssen, also aus der Lebenssituation und<br />

Absicht des Autors zu ergründen seien.<br />

Auch die Grundmauern s<strong>einer</strong> Sprachtheorie, d.h. seine Ideen über die<br />

verschiedenen Altersstufen <strong>einer</strong> Sprache, skizzierte er in den „Fragmenten“. Die<br />

Sprache war für <strong>Johann</strong> <strong>Gottfried</strong> ein lebendiges Wesen, „sie keimt, trägt Knospen,<br />

blüht auf und verblühet.“<br />

Das Kindheitsalter zeichnete sich, so <strong>Herder</strong>, durch „einsylbichte, raue und hohe<br />

Töne“ aus, die den vorherrschenden Gefühlen von „Schrecken, Furcht und<br />

Bewunderung“ Ausdruck gaben. Diese wurden von heftigen, stark ausgeprägten<br />

Gestiken begleitet, um die Sinne noch direkter und deutlicher anzusprechen.<br />

Darauf folgte das Jünglingsalter. „Entsezzen, Furcht und Verwunderung verschwand<br />

allmälich, da man die Gegenstände mehr kennen lernte; man ward mit ihnen vertraut<br />

und gab ihnen Namen, Namen, die von der Natur abgezogen waren und ihr so viel“<br />

wie „möglich im Tönen nachamten“. So blieb „ihr ganzes Wörterbuch“ [...] zwar „noch<br />

sinnlich“, aber ihr Werkzeug wurde weitreichender und die Akzente weniger<br />

schreiend. Man sprach noch wenig, sondern sang eher, „wie es die alten<br />

Geschichtsschreiber“ [Herodot & Co.] „durchgehends von ihren Vorfahren<br />

behaupten“. Indem sich „die Wildheit zur politischen Ruhe senkte“, floss der Gesang<br />

der Sprache „lieblich von der Zunge herunter“. „Man nahm Begriffe, die nicht sinnlich<br />

waren, in die Sprache; man nannte sie aber“ [...] „mit bekannten sinnlichen Namen;<br />

daher müssen die ersten Sprachen“ [...] sehr „Bildervoll gewesen seyn.“ Darum<br />

nannte <strong>Herder</strong> dieses Sprachalter auch das „poetische“.<br />

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