Johann Gottfried Herder. Versuch einer Biografie. - Robert Matthees ...
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Oktober 1770 berichtete er Caroline: „Ich habe 6. Tage die Bleistange, die ich zum<br />
ewigen Andenken aufhebe, in der Nase getragen; seit gestern ist sie heraus, und es<br />
wird in die Wunde, die fast zwei Zoll tief ist, täglich zweimal eine Wicke gesteckt und<br />
gesprützt; das geht nun zwar ohne alle Schmerzen nicht ab: seit gestern Abend ist<br />
mir auch Auge und die ganze rechte Seite des Gesichts geschwollen; aber das<br />
Vornehmste und Gefährliche ist doch schon vorbei, nun muß ich bloß die Kur<br />
ausdauern. Und zum Warten gehört doch eigentlich so viel Kunststück nicht, als zum<br />
Schneiden und zum Durchboren.“<br />
Leider wollten "die Thränen in den so geschickt gegrabenen Kanal nicht abfließen“,<br />
[...] “da mein Thränensack anders liege, oder anders gedrückt sey, oder zu hart und<br />
zu sehr Sack sei, oder, was weiß ich mehr?" (Brief vom 6. November 1770)<br />
Der Doktor zog im Januar 1771 seinen Kollegen <strong>Johann</strong> Joachim Busch zur<br />
Behandlung hinzu. Die Beiden versuchten es erneut mit der alten Therapie: "Sie<br />
drückten Schwämme in das Fleisch, wie der Teufel glühende Bouteillenpfropfen in<br />
das Gewissen."<br />
Während <strong>einer</strong> weiteren betäubungslosen Operation wurde eine "verdeckte Nadel<br />
unter dem Ligament“ [Augenband] “durchgebracht und oberhalb herausgestochen“.<br />
[...] “das geschahe und ohngeachtet der nahen Aterie glücklich. So ward ein Faden<br />
eingebracht, der überhalb dem Ligament ein, unter dem Ligament durch und<br />
herausgeht und jetzt 3 Wochen täglich herausgezogen wird, mit reinigender Salbe<br />
bestrichen. An diesem Faden geht der Ausfluss sehr gut herab, so aber daß doch<br />
noch immer bei dem Druck des Morgens etwas Thränen und Schleimthränen zu den<br />
Punkten herausdringen. Der Faden sollte gleich in die Nase gebracht werden, wie ich<br />
wollte, da aber mein Professor immer so operiert, wie bei dem Cadaver der Anatomie,<br />
so unterbliebs bis jetzt und jetzt werde ich schon 2. Tage gequält das Ding in die<br />
Nase zu bringen, was ich doch endlich wohl hoffe, daß geschehen soll." (Brief vom<br />
Februar 1771)<br />
"Aus 3. Wochen sind nicht bloß zweimal drei Monate, sondern aus Einem Schnitt und<br />
Einer Nasenbohrung sind wohl 20. Schnitte und 200. Sondierungen etc. geworden,<br />
und endlich nach allen Schmerzen, Kosten, Unruhen, Verdrüßlichkeiten etc. ist mein<br />
Auge noch ärger, als es war! das ich Materie gnug hätte, eine höchst tragischlustige<br />
Epopee“ [französisch für Epos] “, oder Ophthalmomachie zu schreiben!" (Brief vom<br />
28. März 1771)<br />
"Straßburg ist der elendeste, wüsteste, unangenehmste Ort, den ich, behutsam und<br />
bedächtig gesprochen, in meinem Leben gefunden. Ich will an Menschen nicht<br />
denken; hier ist einmal kein Wald, kein Ort, wo man mit seinem Buche und Genius<br />
einmal im Schatten liege.", teilte er Merck in einem anderen Brief mit.<br />
Mitte März 1771 schrieb er an Caroline: „Meine Kur ist jetzt zu Ende! Aber, haben<br />
Sie mit mir Mitleiden, nach allen Schmerzen, Kosten, Abmattungen, Versäumnißen<br />
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