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Johann Gottfried Herder. Versuch einer Biografie. - Robert Matthees ...

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Der Generalsuperintendet empfand ein Leben lang große Freude beim Übersetzen<br />

von Gedichten, da er darin eine Möglichkeit erkannte, wie er seine eigne enge<br />

eingeschränkte und nationale Bildung zum Verständnis zur Bildung der Welt<br />

erweitern und vor allem, wie eine solche Bildung auch s<strong>einer</strong> Heimatnation<br />

zugänglich gemacht werden konnte. Dadurch könnte ein tolerantes internationales<br />

Zusammenleben auf der Basis gegenseitigem Verständnisses und menschlicher<br />

Anerkennung ermöglicht werden.<br />

Denn nur in dieser Denkweise und in dem Bewusstsein, dass nichts Menschliches<br />

dem Menschen fremd ist, dass alle seine Sitten und Traditionen<br />

geschichtsbedingten Verhältnissen entsprungen sind und entspringen werden, dass<br />

kein Mensch selbst über sein Los und Wirkungsfeld entscheiden konnte, in welches<br />

er hineingeboren wurde, dass allerdings trotzdem jeder einzelne Mensch und auch<br />

jedes Volk eine für sich selbst existierende Ganzheit darstellt und dass eine jede<br />

dieser Ganzheiten in jeder Situation mit Achtung behandelt werden muss und<br />

würdevoll existieren sollte, nur in einem solchen Bewusstsein ist es möglich,<br />

fremden Mitmenschen und Kulturen stets im Sinne des Humanitätsideals, d.h.<br />

tolerant und unvoreingenommen, zu begegnen. Wobei die Kenntnis ausländischer<br />

Literatur, Mythen und traditionellem Liedguts durchaus vorteilhaft ist.<br />

So kann man beim Prozess der Annäherung die Gemeinsamkeiten verbindend<br />

nutzen und die trennenden Unterschiede überwinden. Wenn es keine einseitig-<br />

dogmatische Unterdrückung gibt, ist Frieden durch eine gegenseitige Anerkennung<br />

nicht nur möglich, sondern sogar sehr naheliegend.<br />

Die 1797 veröffentliche sechste Sammlung der "Zerstreuten Blätter" setzte unter<br />

anderem der italienischen Maler- und Dichterin Maria Faustina Maratti-Zappi ein<br />

Denkmal.<br />

In der zehnten Sammlung der "Humanitätsbriefe", die im Februar 1797<br />

veröffentlicht wurden, erwähnte <strong>Herder</strong> beispielsweise:<br />

"Das Christentum gebietet die reine Humanität auf den reinsten Wegen."<br />

Diese konfessionelle Bekundung rächte sich jedoch, denn Begriffe wie Christentum<br />

galten damals in den jüngeren Weimarer Gelehrtenkreisen wohl grundsätzlich als<br />

"verlachenswerte Vorurtheile" (Brief vom 27. April 1797).<br />

Auch die negativen Rezensionen der "Christlichen Schriften" in den "Göttingischen<br />

Anzeigen von gelehrten Sachen", in welchen seine Texte mit kantschem Vokabular<br />

zerpflückt wurden, bedrückten ihn schwer.<br />

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