Johann Gottfried Herder. Versuch einer Biografie. - Robert Matthees ...
Johann Gottfried Herder. Versuch einer Biografie. - Robert Matthees ...
Johann Gottfried Herder. Versuch einer Biografie. - Robert Matthees ...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Schröder. Von ganzheitlichen Humanitätsgedanken war in der Lehrart der strikten<br />
Observanz im 18. Jahrhundert noch nicht viel zu sehen.<br />
Außerdem ging <strong>Herder</strong> nach s<strong>einer</strong> Zeit in Riga auf eine Reise nach Frankreich,<br />
weshalb er sich vom Bund entfremdete. Später führte er die Oberaufsicht<br />
(Generalsuperintendentur) über alle Kirchen der Grafschaft Weimar (ca. 150 an der<br />
Zahl) und so verlangte es wohl seine Amtspflicht, kein bekennender Freimaurer zu<br />
sein.<br />
Gegen Ende seines Lebens erwachte sein Interesse an der Freimaurerei – vor allem<br />
durch seine Mitarbeit an der Ritualreform - erneut; er las eifrig alle Schriften, die er<br />
bekommen konnte und welche über die Geschichte der Freimaurerei handelten.<br />
<strong>Herder</strong>s zukünftige Lebensgefährtin Caroline berichtete in ihren “Erinnerungen.“,<br />
dass er “sich ein eigenes System gebildet hatte, wodurch ein neuer, unser Zeit<br />
gemäßer Geist geweckt und die veralteten Gebräuche neu belebt werden sollten.“<br />
Weiterhin beschrieb sie die Freimaurerei ihres Mannes wie folgt:<br />
"Im Jahre 1766 wurde <strong>Herder</strong> zu Riga in den Freimaurerorden aufgenommen und<br />
auch in dieser Verbindung ungemein hoch geachtet. Die Loge setzte ein<br />
unbeschränktes Vertrauen in ihn und machte ihn, ungeachtet er nicht den dazu<br />
erforderlichen Grad hatte, zu ihrem Sekretär.<br />
In Weimar hat er sich aus wichtigen Gründen nie als Freimaurer bekannt und sich<br />
dadurch von mehreren Unwillen zugezogen. Er wußte aber alles Wichtige, was in der<br />
Loge vorging und sprach mit Bode über diese Verhältnisse sehr vertraut.<br />
Seine Gespräche in der 'Adrastea' über die Freimaurerei sind nur der Anfang dessen,<br />
was er hierüber mitteilen wollte. Er suchte und sammelte dazu aus vielen Büchern,<br />
die er aus der Göttingischen und Dresdener Bibliothek erhielt. Der Orden, sagte er,<br />
müsse in unserer Zeit am Lichte des Tages essen und frei handeln, sein Einfluß<br />
würde dadurch um so mehr gewinnen und Teilnehmer erwecken. Das Gute, das<br />
übrigens der Orden noch jetzt und besonders durch edle und tätige Vorsteher tat, war<br />
ihm stets ehrwürdig."<br />
Die Predigertätigkeit beanspruchte einen großen Teil von <strong>Herder</strong>s Zeit in Riga. Denn<br />
im April 1767 bekam er eine Stelle als Inspektor an der kürzlich errichteten<br />
Unterrichts- und Erziehungsanstalt der lutherischen Gemeinde St. Petersburg<br />
angeboten. Nur um den begabten Lehrer zu behalten, stiftete der Rat in Riga eigens<br />
eine Predigerstelle in den beiden vorstädtischen Gotteshäusern - in der Gertruden-<br />
sowie der Jesuskirche -, die er im Juli 1767 als Hilfspfarrer antrat.<br />
Im selben Jahr beendete er sein zweites theologisches Examen, veröffentlichte das<br />
Werk "Ueber die neuere Deutsche Literatur" und die anonym erschienenen<br />
17