Fallbeispiel für WU-Vorlesung - Rechtsfragen der elektronischen ...
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DE<br />
C 165/20 Amtsblatt <strong>der</strong> Europäischen Gemeinschaften 11.7.2002<br />
101. Schließlich werden in Bezug auf die Feststellung einer<br />
gemeinsamen Marktbeherrschung in Form von stillschweigen<strong>der</strong><br />
Koordinierung die Kriterien ausschlaggebend<br />
sein, die <strong>für</strong> das Entstehen koordinierter Effekte<br />
auf dem jeweils in Frage stehenden Markt entscheidend<br />
sind. So kam die Kommission in <strong>der</strong> Sache Nr.<br />
COMP/M.2499 — Norske Skog/Parenco/Walsum beispielsweise<br />
zu dem Schluss, dass die Möglichkeiten <strong>für</strong><br />
eine stillschweigende Koordinierung zwischen den Oligopolisten<br />
unwahrscheinlich und nicht tragfähig waren ( 113 ),<br />
obwohl auf den Märkten <strong>für</strong> Zeitungspapier und holzhaltigem<br />
Zeitschriftenpapier eine hohe Marktkonzentration<br />
festzustellen war, die Produkte homogen sind, die<br />
Nachfrage extrem unelastisch ist und eine nur begrenzte<br />
Kaufkraft und hohe Marktzutrittsschranken festgestellt<br />
wurde. Begründet wurde dies durch die begrenzte Stabilität<br />
<strong>der</strong> Marktanteile, das Fehlen symmetrischer Kostenstrukturen<br />
und schließlich durch die fehlende Transparenz<br />
bei Investitionsentscheidungen und das Fehlen eines<br />
glaubhaften Mechanismus <strong>für</strong> Gegenmaßnahmen.<br />
3.1.2.3 Der Begriff <strong>der</strong> gemeinsamen Marktbeherrschung im<br />
Telekommunikationssektor<br />
102. Bei <strong>der</strong> Anwendung des Begriffs <strong>der</strong> gemeinsamen Marktbeherrschung<br />
können die NRB auch auf die den <strong>elektronischen</strong><br />
Kommunikationssektor betreffenden Entscheidungen<br />
aufgrund <strong>der</strong> Fusionskontrollverordnung zurückgreifen,<br />
in denen die Kommission geprüft hat, ob ein<br />
angemeldetes Vorhaben zu einer gemeinsamen Marktbeherrschung<br />
führen konnte.<br />
103. In <strong>der</strong> Sache MCI WorldCom/Sprint hat die Kommission<br />
geprüft, ob die fusionierte Einheit zusammen mit Concert<br />
Alliance eine gemeinsame beherrschende Stellung auf<br />
dem Markt <strong>für</strong> globale Telekommunikationsdienste (GTS)<br />
einnehmen könnte. In Anbetracht <strong>der</strong> Tatsache, dass die<br />
Betreiber auf diesem Markt über Ausschreibungsverfahren<br />
miteinan<strong>der</strong> im Wettbewerb stehen (in denen die Anbieter<br />
in <strong>der</strong> Regel aufgrund ihrer Möglichkeiten, hohe Qualität<br />
und maßgeschnei<strong>der</strong>te Spitzendienste anzubieten,<br />
und nicht aufgrund ihres Preisangebots ausgewählt werden),<br />
konzentrierten sich die Untersuchungen <strong>der</strong> Kommission<br />
darauf, inwieweit <strong>der</strong> Markt den Marktteilnehmern<br />
Anreize <strong>für</strong> ein paralleles Verhalten im Hinblick<br />
auf die Frage bietet, wer gewinnt welche Ausschreibung<br />
(und wer hat welche Ausschreibungen gewonnen) ( 114 ).<br />
Nach einer umfassenden Untersuchung des Marktes (homogene<br />
Produkte, hohe Zutrittsschranken, Gegengewicht<br />
<strong>der</strong> Nachfrageseite usw.) kam die Kommission zu dem<br />
Schluss, dass ein Fehlen von Wettbewerb zwischen den<br />
Konkurrenten nicht festzustellen war. Dieses Kriterium ist<br />
jedoch <strong>für</strong> die Feststellung von parallelem Verhalten erfor<strong>der</strong>lich.<br />
Die Kommission hat daher entschieden, ihre<br />
Einwände in Bezug auf diesen Markt nicht aufrechtzuerhalten<br />
( 115 ).<br />
104. In <strong>der</strong> Sache BT/Esat ( 116 ) hat die Kommission u. a. geprüft,<br />
ob die Bedingungen auf dem irischen Markt <strong>für</strong><br />
Internetanschlüsse über das Telefonnetz zwangsläufig<br />
zur Entstehung eines Duopols des ehemaligen staatlichen<br />
Betreibers Eircom und des fusionierten Unternehmens<br />
führen würden. Dies konnte sie jedoch aus mehreren<br />
Gründen ausschließen. Erstens waren die Marktanteile<br />
nicht konstant, zweitens verdoppelte sich die Nachfrage<br />
alle sechs Monate; drittens galten Internet-Zugangspro-<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 23<br />
dukte nicht als homogen, und schließlich waren technische<br />
Neuerungen eines <strong>der</strong> Hauptmerkmale des Marktes<br />
( 117 ).<br />
105. In <strong>der</strong> Sache Vodafone/Airtouch ( 118 ) stellte die Kommission<br />
fest, dass das fusionierte Unternehmen die gemeinsame<br />
Kontrolle ausüben würde über zwei <strong>der</strong> vier Mobilfunkbetreiber<br />
auf dem deutschen Mobilfunkmarkt (nämlich<br />
D2 und E-Plus; die an<strong>der</strong>en beiden waren T-Mobil<br />
und VIAG Interkom). Da <strong>der</strong> Marktzutritt in hohem Maß<br />
durch die frequenzbedingt begrenzte Zahl von Lizenzen<br />
reguliert war und die Marktbedingungen transparent waren,<br />
konnten die Entstehung eines Duopols und folglich<br />
eine Koordinierung des Wettbewerbsverhaltens nicht ausgeschlossen<br />
werden ( 119 ).<br />
106. In <strong>der</strong> Sache France Telecom/Orange stellte die Kommission<br />
fest, dass vor dem Eintritt von Orange in den belgischen<br />
Mobilfunkmarkt die beiden Anbieter Proximus und<br />
Mobistar in <strong>der</strong> Lage waren, eine gemeinsame Marktbeherrschung<br />
auszuüben. In den vier Jahren vor dem<br />
Marktzutritt von Orange praktizierten beide Betreiber<br />
fast dieselben und transparente Preise, die genau den<br />
gleichen Trends folgten ( 120 ). In dieser Entscheidung<br />
wies die Kommission Einwände von Dritten zurück,<br />
dass auf dem Markt <strong>der</strong> europaweiten Mobilfunkdienste<br />
<strong>für</strong> internationale Mobilfunkkunden eine kollektive beherrschende<br />
Stellung von Vodafone und France Telecom<br />
gedroht hätte. Ausschlaggebend hier<strong>für</strong> war neben den<br />
sehr unterschiedlichen Marktanteilen <strong>der</strong> beiden Betreiber<br />
<strong>der</strong> Umstand, dass es sich um einen aufstrebenden Markt<br />
mit hohem Nachfragewachstum und zahlreichen unterschiedlichen<br />
Angeboten und Preisen handelte ( 121 ).<br />
4. AUFERLEGUNG, BEIBEHALTUNG, ÄNDERUNG ODER AUF-<br />
HEBUNG VON VERPFLICHTUNGEN IM SINNE DES RECHTS-<br />
RAHMENS<br />
107. Abschnitt 3 dieser Leitlinien beschäftigte sich mit <strong>der</strong><br />
Analyse <strong>der</strong> relevanten Märkte, die die NRB gemäß Artikel<br />
16 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie vornehmen müssen, um zu<br />
ermitteln, ob auf einem relevanten Markt wirksamer<br />
Wettbewerb herrscht d. h., ob es auf diesem Markt Unternehmen<br />
gibt, die eine beherrschende Stellung einnehmen.<br />
Dieser Abschnitt enthält Leitlinien zu den Maßnahmen,<br />
die die NRB im Anschluss an ihre Analyse ergreifen<br />
können, sprich zu <strong>der</strong> Auferlegung, Beibehaltung, Än<strong>der</strong>ung<br />
o<strong>der</strong> Aufhebung (je nach Fall) von bereichsspezifischen<br />
Verpflichtungen <strong>für</strong> Unternehmen, die über beträchtliche<br />
Marktmacht verfügen. Ferner ist in diesem<br />
Abschnitt dargelegt, unter welchen Umständen in Ausnahmefällen<br />
auch Unternehmen, die nicht über beträchtliche<br />
Marktmacht verfügen, ähnliche Verpflichtungen auferlegt<br />
werden können, wie dies bei Betreibern mit solcher<br />
Marktmacht <strong>der</strong> Fall ist.<br />
108. Die beson<strong>der</strong>en Verpflichtungen, die Unternehmen mit<br />
beträchtlicher Marktmacht auferlegt werden können, betreffen<br />
sowohl Großkunden- als auch Endnutzermärkte.<br />
Die Verpflichtungen in Bezug auf die Großkundenmärkte<br />
sind grundsätzlich in den Artikeln 9 bis 13 <strong>der</strong> Zugangsrichtlinie<br />
definiert. Die Verpflichtungen in Bezug auf die<br />
Endnutzermärkte sind in den Artikeln 17 bis 19 <strong>der</strong> Universaldienstrichtlinie<br />
festgelegt.