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Die Schattenfrau - Band 1 - Arcor.de

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dass sie sich schämte. Sie erkannte mittlerweile, dass David sie provozierte, sich aus ihrer<br />

Schattenwelt herauszubegeben und zu sich und zu <strong>de</strong>n Leuten offen und ehrlich zu sein. Es<br />

sollte keine Geheimnisse mehr geben. Zum Glück bremste er die Menschen, wenn sie danach<br />

fragten, ob sie es einmal lesen könnten, da er sehr genau unterschied, ob es sich um reine<br />

Neugier han<strong>de</strong>lte o<strong>de</strong>r ob es für diesen bestimmten Mensch hilfreich war. Als Joachim Maria<br />

fragte, ob auch er in ihrem Schriftstück erwähnt wer<strong>de</strong>, musste sie ihm ehrlich antworten, dass<br />

er nur eine Kurzgeschichte war. Er fragte sie weiter, ob er es lesen könne. Nun gut, dachte<br />

Maria, es ging um seine Person, also konnte er auch <strong>de</strong>n Abschnitt lesen, in<strong>de</strong>m er eine Rolle<br />

in ihrem Manuskript spielte. Joachim wun<strong>de</strong>rte sich über das Gelesene, da er noch nie in<br />

Betracht gezogen hatte, Situationen auch einmal aus einer an<strong>de</strong>ren Sicht – sprich von einem<br />

an<strong>de</strong>ren Beobachter aus – zu sehen.<br />

Siehst Du, Maria, alles hat mehrere Betrachtungspunkte. Alle Menschen sind Facetten von<br />

Dir. Du solltest Dir immer wie<strong>de</strong>r vor Augen führen, dass all diese ausgeträumten Gestalten<br />

nur eine Rolle in einem Theaterstück spielen. Außer<strong>de</strong>m solltest Du es zutiefst bereuen, Dir<br />

vorschnell Meinungen, also Urteile, über an<strong>de</strong>re gebil<strong>de</strong>t zu haben. Du hast doch erkannt,<br />

dass sich alle Menschen, die Dir in Deinem Traum erschienen, immer an<strong>de</strong>rs gegeben haben<br />

als sie wirklich SIND. Sie spielten alle Charaktere durch, die Du als solche hättest erkennen<br />

müssen. Du aber hast immer Dein „Schubla<strong>de</strong>n<strong>de</strong>nken“ gehabt und sie alle so einsortiert,<br />

wie Du Kleingeist es für richtig gehalten hast. Du hast Deinen Märchengestalten nie die<br />

Chance gegeben, auch an<strong>de</strong>re Seiten in sich zu tragen. Es sind Menschen, Maria, keine<br />

Roboter mit einem fest installierten Programm. Alles ist möglich!<br />

Maria dachte über die letzte Begegnung mit Boris nach. Er hatte David und sie vor einigen<br />

Tagen besucht und Maria freute sich aufrichtig darüber, dass er so gut und erholt aussah.<br />

David erkannte sofort, dass Boris sich wie<strong>de</strong>r gefangen hatte. Boris ist back – sagte er immer<br />

wie<strong>de</strong>r. Sie sah, dass sich ihr Mann für ihn aufrichtig freute, ohne es ihm zu zeigen. Maria<br />

wusste, dass David Boris sehr gerne mochte und ihn niemals als Figur aus diesem „göttlichen<br />

Spiel“ heraus genommen hätte. Maria sagte Boris ganz direkt, dass sie in ihrer „vermuteten<br />

Vergangenheit“ sehr viele Fehler begangen und auch über ihn gerichtet und geurteilt habe. Sie<br />

bereue es sehr, die Dinge nicht neutral gesehen zu haben. Nach <strong>de</strong>m Mittagessen begaben sich<br />

Boris und David an <strong>de</strong>n Computer. Maria setzte sich still in die Ecke ihres Wohnzimmers und<br />

löste Kreuzworträtsel. Sie war ganz in Gedanken, als sie plötzlich die Stimme Davids<br />

vernahm:<br />

„Boris, Maria hat in <strong>de</strong>n letzten Monaten ein Buch geschrieben. Es geht ausschließlich darum, dass<br />

sie versucht, ihren Beobachter einzusetzen. Mittlerweile merkt Maria, dass es in ihrem Kopf <strong>de</strong>nkt und<br />

sie keinen Einfluss darauf hat, was sie schreibt. Ich wer<strong>de</strong> die Seiten für Dich ausdrucken“, sagte<br />

David.<br />

Maria hörte entsetzt zu, was David erzählte. „Nein, David, ich möchte nicht, dass Du die<br />

Seiten ausdruckst. Ich habe es nur für mich geschrieben. Eigentlich gehört das Manuskript in<br />

die Mülltonne !“<br />

Boris respektierte ihren Wunsch, aber David sah nicht ein, warum Maria sich so dagegen<br />

sträubte. Er riet ihr inständig, sich endlich zu öffnen und die endlose Geheimniskrämerei in<br />

ihrem Innern loszulassen. Außer<strong>de</strong>m sagte er ihr auf <strong>de</strong>n Kopf zu, dass sie einfach nur Angst<br />

habe, an<strong>de</strong>re Leute könnten schlecht von ihr <strong>de</strong>nken.<br />

Stimmt, dachte sich Maria, er hatte wie<strong>de</strong>r einmal <strong>de</strong>n Nagel auf <strong>de</strong>n Kopf getroffen.<br />

118 <strong>Die</strong> <strong>Schattenfrau</strong> - <strong>Band</strong> 1

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